: Hilft Büchern und Menschen
BÜCHER FÜR ALLE Milena Abramian ist die Erfinderin des Sozialen Bücherladens in Prenzlauer Berg. Hier werden Bücher nicht verkauft und nicht verliehen, sie werden verschenkt. Das Projekt finanziert sich allein aus Spenden
VON KATJA KOLLMANN
Milena Abramian sitzt auf einem Kinderstuhl und schlägt ihre langen Beine übereinander. Hinter ihr stehen gut sortierte Bücherregale. Die schwarzhaarige Enddreißigerin managt den kleinen Laden in der Winsstraße 30 in Prenzlauer Berg. Milena Abramian verkauft hier keine Bücher, sie verleiht sie auch nicht, sie gibt sie ab gegen eine kleine Spende oder verschenkt sie an die, die wenig oder nichts haben und trotzdem lesen wollen.
In den zwei Räumen des Sozialen Bücherladens stehen die Bücher, die woanders nicht mehr gebraucht werden. Sie warten hier auf eine neue Seele, die ihrer bedarf. Viele Bücher sind ihrer Vernichtung gerade noch entkommen. Sie verdanken ihre Rettung einem Anruf beim Sozialen Bücherladen. So befreiten, als wieder mal eine Bibliothek in Prenzlauer Berg geschlossen wurde und die nun heimatlosen Bücher im Altpapiercontainer landeten, Milena Abramian und ihre Mitstreiter diese aus dem unwürdigen Gefängnis. Die meisten Bücher aber werden glücklicherweise vorbeigebracht von Menschen, die sie nicht mehr brauchen, sich aber trotzdem für ihre weitere Existenz verantwortlich fühlen.
1.000 Euro kostet der Unterhalt des Ladens monatlich. Dies wird allein durch die Spenden der Ladenbesucher finanziert. Das gelingt, beteuert Milena Abramian mit leuchtenden Augen und öffnet die Sammelbüchse, die neben der Auslage vor dem Laden steht. Sie fischt 2,40 Euro heraus und wirft sie in die große Spendendose, die im Laden steht. Die Münzen fallen weich, fast lautlos. Denn die Dose ist voll.
Als Milena Abramian vor 17 Jahren aus Georgien nach Deutschland kam, war sie 19. Sie fühlte sich fremd und hilflos und schwor sich deshalb, eine Helfende zu werden in diesem Land. Seit eineinhalb Jahren hilft sie mit ihrem kleinen Laden Büchern und Menschen. Und wie von selbst kommen Menschen zu ihr, die nun ihrerseits helfen wollen. Menschen, die Zeit und Benzin opfern, um Bücher zu retten und in den Laden zu bringen. Menschen, die Bücher einsortieren und so für Ordnung im Laden sorgen. Andere schenken ihren Flachbildschirm her, wieder andere zwei gut erhaltene Ledersessel und Bücherregale.
Daniela aus Wedding hilft jeden Mittwoch im Laden. Die Mittdreißigerin, die an einer chronischen Krankheit leidet, nimmt jedes Buch sorgsam in die Hand und wählt dann behutsam einen Platz für den Neuankömmling aus. Sie mag die Ruhe und genießt den Umgang mit Büchern. Leise tickt die Wanduhr, die Sonne strahlt herein. Das Plakat „Bücher für alle“ beginnt zu leuchten. Milena Abramian lächelt.
■ Sozialer Bücherladen, Winsstraße 30, Mo.–Fr. 10–17 Uhr, Do. 10–19 Uhr