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Archiv-Artikel

V-Mann aus dem NSU-Umfeld bringt Henkel in Bedrängnis

BERLIN SPD stellt Innensenator Ultimatum, weil er den NSU-Untersuchungsausschuss überging

BERLIN taz | Frank Henkel (CDU) steht vor den ungemütlichsten Stunden seiner Amtszeit: Am Dienstag muss sich Berlins Innensenator im Abgeordnetenhaus auf einer Sondersitzung des Innenausschusses verantworten. Er hatte dem Bundestags-Untersuchungsausschuss zur NSU-Mordserie verschwiegen, dass die Berliner Polizei von 2000 bis 2011 den als NSU-Helfer beschuldigten Thomas S. als V-Mann führte.

Mitglieder des NSU-Untersuchungsausschusses verschärften am Montag den Ton. SPD-Obfrau Eva Högl nannte Henkels Verhalten „eine Unverschämtheit“ und stellte ein Ultimatum: „Entweder er übermittelt alle vorhandenen Akten über den V-Mann unmittelbar dem Ausschuss oder er muss zurücktreten.“ Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kündigte Konsequenzen an. „Die Aufklärung läuft an etlichen Stellen nicht so, wie wir das für richtig halten.“

Die Bundesanwaltschaft wirft Thomas S. vor, den NSU unterstützt zu haben. Ab 2002 soll S. der Berliner Polizei als V-Mann fünf Hinweise zum Trio gegeben haben, einer hätte zum Aufenthaltsort führen können. Henkel wusste seit März über die Sache Bescheid – informierte aber nur die Bundesanwaltschaft, nicht den Untersuchungsausschuss.

Nun soll Henkel selbst vorm Ausschuss befragt werden. Linken-Obfrau Petra Pau warf ihm vor, die Aufklärung zu blockieren. Das sei „politisch und moralisch inakzeptabel“. Grünen-Obmann Hans-Christian Ströbele erinnerte, dass Berlin auf mehrere Anfragen stets angab, nichts Relevantes zum NSU zu haben. „Das kann man nur als Lüge bezeichnen.“

Henkel wies Rücktrittsforderungen zurück. „Nach meinem Verständnis muss und wird in Deutschland niemand zurücktreten, weil er sich für Aufklärung einsetzt“, sagte dessen Sprecher. Henkel kündigte an, einen NSU-Sonderermittler einzusetzen. Ströbele kritisierte das als überflüssig: „Der Ausschuss ist der Sonderermittler.“

Der ehemalige Berliner Innensenator Erhart Körting (SPD), unter dessen Amtszeit die V-Mann-Arbeit von S. fiel, zog derweil Konsequenzen: Er trat am Montag aus der vierköpfigen Bund-Länder-Kommission zur Aufarbeitung der NSU-Morde aus. Um jeden Anschein einer Befangenheit zu vermeiden.

KONRAD LITSCHKO