: Der Nachwuchsstar und die Nachrückerin
taz geht wählen – die Serie zur Bundestagswahl am 18. September. Die 64 nordrhein-westfälischen Direktwahlkreise im Portrait. Wer kämpft um die Mandate? Wer sind die Außenseiter? Wer gewinnt? Heute: Mönchengladbach
Mönchengladbach?
Bekannt geworden ist Mönchengladbach durch das Fußballstadion am Bökelberg. Doch das ist jetzt Neubaugebiet – der Bundesligist kickt seit einem Jahr im Borussia-Park. Sport wird aber weiter groß geschrieben: 2006 kommt die Herrenhockey-Weltmeisterschaft. Freunde der Hochkultur verweisen lieber auf den Philosophen Hans Jonas (1903-1993). Er erhielt 1987 den Friedenspreis und mahnte in „Das Prinzip Verantwortung“ zum korrekten Umgang mit Technologie und Umwelt. Wegen der Grenzlage orientieren sich die 266.605 Einwohner gerne an den Niederlanden – was auch ästhetisch gut nachvollziehbar ist: Im Süden liegen nur Braunkohlegruben, im Nordwesten lockt jenseits der grünen Grenze der Naturpark Maas-Schwalm-Nette. Die Lokalpolitik ist derzeit fixiert auf den lokalen Flughafen: Gegenseitig werfen sich SPD und CDU vor, den Ausbau zu verhindern. Die Grünen halten das Projekt für Unsinn.
Wer verteidigt den Wahlkreis?
Günter Krings, Entschuldigung: Doktor Günter Krings, Jurist mit Konrad-Adenauer-, Westhaus- und Fulbright-Stipendium. Der 36-Jährige zog 2002 überraschend an SPD-Frau Hildegard Wester vorbei. Gleich in seiner ersten Legislaturperiode bekam der Neueinsteiger ein Amt: Krings wurde Sprecher der „Jungen Gruppe“ und damit Aushängeschild der 26 Unionisten unter 36 Jahren. Sollte Krings seinen Wahlkreis wieder verlieren, droht der Berliner Zeit allerdings ein jähes Ende: Auf der NRW-Liste steht Krings nur auf Platz 30.
Wer will den Wahlkreis?
Hildegard Wester (SPD). Die 55-jährige Mutter von drei Kindern ist tief verwurzelt am Niederrhein. Als Lehrerin hat Wester in den letzten 15 Jahren kaum gearbeitet, dafür als Bundestagsabgeordnete von 1990 bis 2002. Auch nach der bitteren Niederlage gegen Krings dauerte es nur zwei Jahre, dann kehrte sie als Nachrückerin zurück nach Berlin. Auch diesmal könnte es für Wester aufs Warten ankommen – ihr Landeslistenplatz auf Nummer 24 ist wackelig. Außerdem: Thomas Deicke (FDP), Peter Walter (Grüne), Bernhard Clasen (Linkspartei) sowie Andreas Koroschetz (NPD).
Der große Außenseiter?
Bernhard Clasen – der gelegentlich für die taz schreibt – tritt für die Linkspartei an. Seit Ewigkeiten mischt der 48-jährige Friedensbewegte in Mönchengladbachs linker Szene mit. Nach 15 Jahren bei den Grünen trat der Russland-Experte 1999 wegen des Kosovo-Kriegs aus. In der christlich geprägten Lokalpresse komme Clasen nicht vor, bemängelt die „LinksZeitung«. Lediglich Anzeigen der Linkspartei würden in der „Rheinischen Post« abgedruckt, über Wahlkampfauftritte nicht berichtet. Typisches Außenseiterschicksal.
Die taz-Prognose?
‚Doktor Jung‘ Krings gewinnt knapp vor Hildegard Wester, die zuviele Stimmen an Bernhard Clasen verliert und noch einmal nachrücken muss.SEBASTIAN SEDLMAYR