: Wahre Geschichte
Dokfilm „False Beliefs“ (Forum Expanded)
Ein großstädtisches Idyll. Eine Dachgeschosswohnung in Manhattan, die auf einen kleinen Park blickt. Ein Verleger von Kunstbänden, etwa über Blinky Palermo, bewohnt diese Wohnung mit seiner Partnerin, der Filmemacherin Lene Berg. Im Haus nebenan ist ein Bed & Breakfast. Das anschließende Eckhaus hat ein schwules Paar für – wie man sagt – 400.000 US-Dollar erworben. Später annoncieren sie es für 7,3 Millionen US-Dollar und beginnen die Nachbarschaft zu behelligen. Ständig rückt die Polizei an. Ihren Nachbarn in der Dachgeschosswohnung schimpfen sie einen „Nigger“. Das großstädtische Idyll liegt in Harlem.
Als der Verleger zur Polizei geht, um Beschwerde wegen Belästigung und rassistischer Beleidigung zu erstatten, wird er verhaftet. Noch glaubt er, es könne sich nur um einen Irrtum handeln. Doch in den folgenden Jahren durchlebt er den systemischen Rassismus des US-amerikanischen Strafrechts. Ein kleiner Fall nachbarschaftlicher Denunziation deckt das weitaus größere Bild einer korrupten Strafjustiz auf, die Gefängnisstrafen und Unterlassungsverfügungen als politische und ökonomische Waffen nutzt, um die von ihr gewünschten Ergebnissen zu erlangen.
Visuell entwirft Lene Berg dieses größere Bild auf eine ebenso schlichte wie schlagende Art. Sie richtet ihre Kamera auf eine Fotomontage – sei es der Häuser, der Protagonisten, der Gerichtsprotokollen, der Aussagen der Anklage (etwa: D. habe bei der Begrüßung eine Hand zu lange gehalten) oder der Parklandschaft – und entfernt dann dieses Bild aus dem Fokus, worauf dahinter die nächste Montage aufscheint und die übernächste, manchmal belebt durch Papierpuppen mit den Fotogesichtern der Nachbarn und der Staatsanwaltschaft.
Dazwischen berichtet D., wie Lene Berg den Verleger nennt, vom Fortgang des Verfahrens gegen ihn. Betrieben wird es vom Staatsanwalt von Manhattan Cyrus Vance Jr. und seinen Strafverfolgern. Gegen Vance wird selbst ermittelt. Seit 2018 fragt das FBI, ob sein Nichttätigwerden im Fall Harvey Weinstein und dubioser Immobiliengeschäfte der Trump-Familie in Zusammenhang mit dem Erhalt großzügiger Geldspenden für seine Wiederwahl steht.
Vance reichte für die Festnahme von D., dass das schwule Paar, bevor er selbst mit seiner Beschwerde zur Polizei kam, eine Unterlassungsverfügung gegen ihn erwirkt hatte, wegen homophober Verwünschungen, die er gegen sie erhoben hätte. D. darf dieser Verfügung entsprechend nicht in Kontakt mit den Griechen kommen, auch nicht in Sichtkontakt. Was schwierig ist, wenn das schwule Paar tatsächlich ihn stalkt. Zwangsläufig geht es schlecht für D. aus. Lene Bergs Film ist parteiisch, aber genau das braucht D., und genauso der Staatsanwalt. Brigitte Werneburg
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