LESERINNENBRIEFE
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Herdprämie für Väter

■ betr.: „Kleinkinder werden häufig überrollt“, taz vom 15. 9. 12

Was kommt meinem Baby oder meinem Kleinkind zugute, und wie kann ich es ausreichend fördern? Muss ich dafür eine Zeit lang aus dem Job aussteigen?

Diese Fragen scheinen sich laut dem Artikel nur Mütter, das heißt Frauen, stellen zu müssen. Warum wird immer nur das Wort „Mutter“ auf eine selbstverständliche Art und Weise im Zusammenhang von Kleinkinderziehung genutzt? Warum wird bei der „Herdprämie“ nicht auch einmal von Vätern gesprochen? Ebenso im professionellen Bereich der Kleinkinderziehung: Männer scheinen hier nahezu abwesend zu sein. Hier ist die Sprache ausschließlich von Erzieherinnen, Tagesmüttern und Leihgroßmüttern. Können nicht auch Väter (und Großväter) in den ersten Lebensmonaten ein „emotionales Fundament“ bilden, welches das Kind für eine „kognitive Bildung“ so sehr benötigt? KATJA SCHWICHTENBERG, Nancy, Frankreich

Öfter die Perspektive wechseln

■ betr.: „Eine schrecklich nette Familie“, taz vom 15. 9. 12

Bei allem Verständnis für Eltern, die es selbst als Kind nicht leicht hatten, sollte man sich doch vor falsch verklärender Sozialromantik hüten: Dass Eltern ihre Kinder lieben, ist schön. Doch bei solch liebe-bedürftigen, weil früher selbst vernachlässigten Eltern bedeutet das doch oft in der Praxis, dass sie ihre Kinder fürs eigene Wohlergehen „brauchen“. Sind wir nicht schon begeistert, wenn solche Eltern den Mindeststandard erfüllen und ihre Kinder nicht schlagen? Auch wenn sonst alles schiefläuft, was nur schieflaufen kann. Die Entscheidung ist nicht einfach, aber ebendeshalb sollten „Helfer“ immer öfter einmal die Perspektive wechseln, um einen klaren Blick zu behalten und nicht vor Mitleid mit den Eltern zerschmelzen, dabei konkretes Leid (durch Mangelversorgung) von Kindern übersehend. KARIN ZIMMERMANN, Brachbach

Ächtung hilft da nicht

■ betr.: „Kommen Sie ins Bordell“, taz vom 18. 9. 12

Sicherlich verdient die Ausübung der Tätigkeit einer Sexarbeiterin Respekt, und eine Frau, die damit ihren Lebensunterhalt sichert, darf nicht gesellschaftlich geächtet werden. Leider arbeitet aber nicht jede Frau freiwillig in diesem Arbeitsfeld. Wenn wir nur über Frauen reden, die selbstbestimmt und selbstbewusst ihr Geld damit verdienen, Männer zu befriedigen, und dabei klar ihre eigenen Spielregeln festlegen und durchsetzen, dann idealisieren wir das Bild der Prostituierten. In der Realität wird der „Beruf“ oft von Mädchen und Frauen ausgeübt, die keine andere Wahl haben oder sogar dazu gezwungen werden. Und es geht um Macht, Geld (das dann in die Taschen anderer, vornehmlich Männer, wandert) und Unterdrückung. Und leider auch oft um Zwangsprostitution. Alle Frauen verdienen Respekt und die Freiheit der unabhängigen Wahl ihrer Ausbildung und ihres Berufs zur Lebenssicherung! Dazu gehört Recht auf Bildung, Sicherung der Grundexistenz und Selbstbestimmtheit. Frau Klee hat recht, wenn sie hier mehr Unterstützung von prominenten Frauen fordert – und Ächtung hilft da nicht! STEFFI WEIGAND, Ilsede

Keine Frage des Bildungsniveaus

■ betr.: „Lieber erst mal eine Lehre“, „Stereotype in Pädagogenköpfen“, taz vom 11., 18. 9. 12

Vielleicht haben es Arbeiterkinder vor allem deshalb oft so schwer, Abitur zu machen und eine akademische Laufbahn einzuschlagen, weil Eltern aus Arbeiterfamilien viel zu oft in dem Glauben gelassen werden, ein Gymnasium käme nur für die Kinder infrage, deren Eltern in Mathe, Deutsch etc. den vollen Durchblick haben und jederzeit unterstützend eingreifen können. Dabei werden Kinder mit dem Übergang in die fünfte Klasse und dem Schulwechsel doch oft so schnell so selbstständig, dass einem schwindlig werden kann – und die tollen Mathekenntnisse von Papi oder Mami sind ohnehin so was von nicht angesagt. In der Pubertät werden Eltern schnell zu Klugscheißern. Kinder brauchen dann Eltern, die ihnen etwas zutrauen – keine, die alles besser wissen. Und das ist ganz gewiss keine Frage des Bildungsniveaus. KARIN REICH, Biberach

Wo bin ich zu Hause, wo Gast?

■ betr.: „Der kommt von hier“, taz vom 19. 9. 12

Es geht doch nicht darum: „Wer lieb ist, darf bleiben“. Selbstverständlich muss ich mich dort, wo ich Gast bin, mehr zurückhalten als in den eigenen vier Wänden. Und selbstverständlich hat ein Gastgeber das Recht, rücksichtslose Gäste rauszuwerfen. Ist aber nicht das Thema, sondern: Wo bin ich zu Hause, und wo bin ich Gast?

Meine eigenen Kinder darf ich nicht aus meinem Haus werfen, auch ungeliebte nicht, auch kriminelle nicht. Sie haben das Recht zu bleiben und das Recht erzogen zu werden. Problem ist die abstruse Migrantenpolitik, die immer noch glaubt, das Bollwerk müsse nur groß genug gemacht werden, um in Deutschland die Insel der reinen Deutschen zu erhalten. Wer die Augen öffnet, wer nur einen kurzen Blick in die Statistik wirft: Wir sind es längst: multikulturell! Da können noch so viele Berufene postulieren, Multikulti sei gescheitert. Deutschland hat sich längst verändert und keineswegs abgeschafft. Es wird Zeit, dass auch die Legislative dies erkennt und denen das Recht gibt, hier zu Hause zu sein und verurteilt zu werden, die nach Geburt, Schule und Jahren keine Gäste sind, es nicht einmal waren, auch deutschen Kriminellen. GEROLF HEBERLING, Karlsruhe