: „Der US-Ölkonzern Oxy trampelt auf uns rum“
Protestler beschließen „Auszeit“ im Ölkonflikt in Ecuador. Ausnahmezustand bleibt. Venezuela will Nachbarland helfen
PORTO ALEGRE taz ■ Auch eine Woche nach Beginn des Ölstreiks in den ecuadorianischen Amazonasprovinzen Sucumbíos und Orellana ist keine Entspannung in Sicht: In Ecuadors Hauptstadt Quito begannen zwar Verhandlungen zwischen der Regierung, 60 Abgesandten der Bevölkerung und Vertretern der Ölmultis. Der Ausnahmezustand ist aber nicht – wie gefordert – aufgehoben worden.
Immerhin kündigte ein Sprecher der Protestbewegung eine „Auszeit“ an. Ziel bleibe aber nach wie vor die Kündigung des Vertrages mit dem US-amerikanischen Konzern Oxy, der die Förderung kontrolliert und das Öl vermarktet. „Wir wollen eine gerechtere Verteilung des Profits aus dem Ölgeschäft“, sagte zum Beispiel Anita Rivas, die Bürgermeisterin von Francisco de Orellana, eines 20.000-Seelen-Städtchens in der Region. Die Bürgermeisterin will, dass die Öleinkünfte außerdem Beschäftigungs- und Infrastrukturprogrammen zugute kommen.
„Oxy trampelt auf uns herum, spaltet die Gemeinschaften und verschmutzt unser Wasser“, sagt Anita Rivas. „Der Staatshaushalt wird durch unser Öl finanziert, und hier herrscht die totale Verschmutzung. Von klein auf haben wir erfahren, das wir nur durch Streiks etwas erreichen, und beim Öl tut es ihnen am meisten weh.“
Derlei harte Worte kommen auch aus anderer Richtung – wenn auch besser verpackt. „Oxy hat seinen Vertrag mit der staatlichen Erdölfirma Petroecuador mehrfach verletzt“, bestätigt Wirtschaftsministerin Magdalena Barreiro. Zumindest müsse die Regierung nun hart nachverhandeln und eine spürbare Geldstrafe gegen den Multi verhängen. – Ein erstaunlicher Meinungswandel der Ministerin: Als der Vorsitzende von Petroecuador Anfang August genau diese Neuverhandlungen und eine Kündigung des bestehenden Vertrages forderte, musste er seinen Hut nehmen.
„Wir werden Ecuador helfen“, erklärte unterdessen Venezuelas Präsident Hugo Chávez . „Venezuela wird die Verpflichtungen abdecken, die die ecuadorianische Regierung in diesen Tagen nicht erfüllen konnte“, sagte Chávez in einer im Fernsehen ausgestrahlten Erklärung. Ecuador hatte Chávez um Unterstützung gebeten. Chávez ist sowieso gerade gut in Fahrt: Bei einem Kubabesuch warf er den USA imperialistische Bestrebungen und Gefährdung des Weltfriedens vor. (siehe Seite 10).
In Ecuadors Ölregion bestimmt weiterhin Militär das Bild. Bereits am Freitag hatte die Armee zahlreiche Bohrlöcher und zwei Flughäfen geräumt, tags darauf wurden 40 Demonstranten auf freien Fuß gesetzt. Wenn nötig, werde die Armee die Förderanlagen „mit äußerster Härte“ verteidigen, sagte der neu vereidigte Verteidigungsminister Oswaldo Jarrín, der für US-hörige Positionen bekannt ist.
Indes stieg die Ölförderung wieder auf 54.400 Barrel an (1 Barrel = 159 Liter). Vor den Protesten lag die tägliche Fördermenge bei 201.000 Barrel. Ministerin Barreiro schätzt den Verlust für den Staat auf 300 Millionen Dollar. GERHARD DILGER