Fenster zum Hof

Neuauflage des Prozesses gegen Hamburger Polizisten, der den Einbrecher Julio V. tödlich in den Rücken schoss

Zum zweiten Mal in diesem Jahr muss sich der Polizeibeamte Wolfgang Sch. wegen des Todesschusses auf Julio V. am Heiligabend 2002 vor Gericht verantworten. Auch wenn die Anklage wieder nur auf „fahrlässige Tötung“ lautet, könnte es Ernst für den als „Draufgänger“ bekannten Polizisten werden. Amtsrichterin Katja Reitzig hatte im März den Prozess nach vier Verhandlungstagen abgebrochen und an das Landgericht überwiesen, da für sie der Verdacht einer „vorsätzlichen Tötung“ bestand.

Der Hauptkommissar und ein zweiter Beamter vom Revier Oberaltenallee waren damals zu einem Einbruch in den Uhlenhorster Weg 55 gerufen worden. Ohne auf seinen Kollegen zu warten, war Sch. mit gezogener Waffe allein ins Treppenhaus gestürmt, wo er auf ein Einbrechertrio stieß. Die Männer flüchteten mit einem Sprung aus dem Flurfenster in einen Hof. Sch. schoss aus dem Fenster und traf den unbewaffneten Julio V. tödlich in den Rücken.

Auch gestern wiederholte der 42-Jährige seine Version, dass er sich bei dem Verfolgungsversuch plötzlich bedroht gefühlt und in Notwehr geschossen habe: „Ich meine, eine Schusswaffe gesehen zu haben.“ Eine Notwehrsituation hatte ihm das Amtsgericht St. Georg nach einem Ortstermin und einem Schusskanal-Gutachten jedoch nicht abgenommen. Zudem hatte Sch. selbst vor den Ermittlern noch geprahlt: „Ich bin 20 Jahre Polizist, ich lasse keinen Einbrecher laufen.“

Das Landgericht muss nun die Beweisaufnahme neu aufrollen, um sich ein Bild davon zu machen, ob der Eindruck von Richterin Reitzig zutrifft: „Es gibt Anhaltspunkte, dass der Angeklagte gezielt schoss und dabei zumindest billigend den Tod in Kauf nahm.“ KVA