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Archiv-Artikel

KURZKRITIK: „DANTONS TOD“, SCHAUSPIELHAUS Ein Klassiker zum Hinhören

Fortschrittsopfer lassen ihr Lebenwollen verbluten oder machen nur mechanisch weiter – in der Agonie des Immergleichen

Zuerst bedröhnen zwar noch Hedonist Danton und Asket Robespierre vom Theatervordach das herbeieilende Publikum mit Phrasen aus dem Baukasten für Politikerreden, aber auf der Bühne ist der Wille zur Macht gewichen. Danton summt einen Trinkerblues, Robespierre ist nur noch zwangsneurotisch und weinerlich dabei, wie ein Jesus-Jünger-Rumpelstilzchen von seiner Wahrheit zu künden und diese mit Blümchen zu bewerben, wie es Politiker vorm Wahlsonntag gern tun.

Mit „Dantons Tod“ legt Dušan David Parizek seine dritte sehr kluge und für ihn typische Regiearbeit am Schauspielhaus vor: eine geschickt skelettierte Fassung, alle entscheidenden Passagen auf das zusammengestrichene Personal verteilt. Die auflodernde Kraft des Euphorie- und Verzweiflungsstückes wird im privaten Konversationston heruntergedimmt und präzise der politischen Rhetorik, dem philosophischen Atheismus-Diskurs und den Argumenten für naturgemäß scheiternde Ideale und gegen pervertierte Utopien nachgelauscht.

Ganz beim hellsichtig schwarz sehenden Georg Büchner ist der Regisseur, obwohl er kein Revolutionsdrama, sondern einen Zustand inszeniert: ihrer selbst überdrüssige Menschen, verloren auf vor allem leerer Bühne – nachdem sie sich in die eigenen Vorstellungen verrannt haben, diese Tragödie aus dem Drang zum Besseren/Höheren/Schöneren und der widersprechenden Macht der Lust.

So entsteht ein Kammerspiel über müde gewordene Vitalität. Fortschrittsopfer lassen langsam ihr Lebenwollen verbluten oder machen nur noch mechanisch weiter – in der Agonie des Immergleichen. Ein zarter, leiser Abend, todernst traurig, genau die Büchner’sche Sprache beim Wort genommen. JENS FISCHER

nächste Vorstellungen: heute, 29. 10., 6. 11., je 20 Uhr