: „Man muss die Täter kennen“
Tagung zum 30. Geburtstag des Frauennotrufs
■ ist Professor für Erziehungswissenschaft an der FH Dortmund. Foto: privat
taz: Herr Toprak, Sie sprechen beim Notruf für vergewaltigte Frauen und Mädchen über türkische Männer als das „schwache Geschlecht“.
Ahmet Toprak: Es geht darum, die Täterseite anzuschauen. Gewalt üben meist Männer aus, Leidtragende sind meist Frauen. Um handeln zu können, muss man aber auch die Täter kennen.
Die bezeichnen Sie als schwach.
In meinen Forschungen bin ich darauf gestoßen, dass viele türkische Männer starke Frauen, die ihren eigenen Kopf haben, gar nicht heiraten. Das ist ihre Schwäche. Oft heiraten sie wesentlich jüngere Frauen aus der Türkei, die sie besser kontrollieren und unterdrücken können.
Ist das das einzige Motiv?
Nein, oft handelt es sich um Zwangsehen. Nicht nur Frauen, auch Männer werden zwangsverheiratet – das vergessen viele. Meist will man damit Homosexualität nach außen vertuschen oder junge Männer, die auffällig sind, zu Alkohol oder Drogen neigen, disziplinieren. Die Familien denken, dass sie sich durch eine Zwangsheirat bessern.
Spielt in diesen Ehen häusliche Gewalt eine Rolle?
Häusliche Gewalt ist oft im Spiel – wobei sie natürlich in allen Kulturen vorkommt. Viele der Männer haben selbst Gewalt erfahren, zum Teil wurden sie mit Gewalt zur Ehe gezwungen. Die Gefahr, dass sie später selbst schlagen oder psychische Gewalt ausüben, ist groß. Das ist ein Teufelskreis.
Was ist dagegen zu tun?
Zwangsheiraten kommen meist in bildungsfernen Schichten vor. Die Geschlechterrollen sind dort sehr traditionell verteilt. Um das zu ändern, braucht es mehr Bildungschancen, zudem muss man an den Geschlechterrollen arbeiten. Das kann in der Sozial- und Jugendarbeit geschehen, man sollte aber auch die Kulturvereine und die türkische Presse einbinden. INTERVIEW: AG
Beginn 10 Uhr, VHS Faulenstraße