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Archiv-Artikel

„Eine B-Probe ist wohl nicht mehr vorhanden“

Weil es nur eine wissenschaftliche Untersuchung war, muss Armstrong keine Konsequenzen fürchten, sagt der Dopingexperte Klaus Müller

taz: Herr Müller, in Urinproben von Lance Armstrong aus dem Jahr 1999 hat das französische Kontrolllabor Châtenay-Malabry Spuren des Dopingmittels Epo gefunden. Ist es üblich, Proben so lange aufzubewahren?

Klaus Müller: Normalerweise nicht. Sie wurden wahrscheinlich zurückgestellt, weil sie zu einem früheren Zeitpunkt keine eindeutigen Befunde geliefert haben. Womöglich hat die Leitung der Tour de France oder die französische Antidopingbehörde dafür gesorgt, dass bestimmte Proben länger gelagert werden.

Hat man die Proben so lange aufbewahren wollen, bis die Epo-Analyse-Methoden ausgereift sind?

Die Methode wird schon seit mehreren Jahren angewandt. Sie wurde versuchsweise bei Olympia 2000 in Sydney eingeführt. Eine nachträgliche Überprüfung wäre auch schon vor zwei, drei Jahren möglich gewesen.

Warum wurden die 99er-Proben gerade jetzt untersucht?

Es kann vielleicht damit zusammenhängen, dass in Châtenay eine wissenschaftlichen Untersuchung läuft und die Kollegen bei dem zeitaufwändigen Verfahren nun gerade eine Zeitlücke zum Test dieser Proben hatten.

Wann werden in Kreischa die Urinproben weggeworfen?

Die negativen Proben hebt man zwischen ein bis drei Monaten auf. Positivproben bleiben grundsätzlich so lange aufbewahrt, bis der Fall endgültig abgeschlossen ist. Das kann schon mal zwei Jahre dauern.

Hält sich eine Probe über sechs, sieben Jahre?

Wenn sie tiefgefroren ist, zwischen 18 und 70 Grad minus und fest verschlossen, dann sollte keine Veränderung eintreten. Aber wir in Kreischa haben keine speziellen Erfahrungen, weil eine so lange Aufbewahrungsdauer nicht in Betracht kam.

Wollte man Armstrong auf die Schliche kommen?

Das würde ja heißen, dass Personen außerhalb des Labors die Entscheidung getroffen haben. Das Labor selbst kann gar nicht wissen, welche Proben zu welchem Fahrer gehören. Diese werden anonymisiert. Erst bei einem positiven Befund wird die Anonymität von außen aufgehoben.

Sechs positive Proben sind Armstrong zugeordnet worden, sechs andere nicht namentlich bekannten Fahrern – muss der US-Amerikaner Konsequenzen fürchten?

Das ist meines Wissens nicht relevant, weil es eben nur eine wissenschaftliche Untersuchung gewesen ist und somit keine Sanktionen erfolgen können – auch weil wohl keine B-Probe vorhanden ist und die Probe nicht versiegelt war. Noch mal: Es ist offenbar keine nachträgliche Kontrolle gewesen, sondern Teil einer wissenschaftlichen Untersuchung. Unser Labor hätte in einem solchen Fall Befund und Namen gar nicht bekannt gegeben. Das ist eigenartig.

Was hätten Sie getan?

Wir hätten den Befund wissenschaftlich ausgewertet und es unserem Auftraggeber, der Weltdoping-Agentur Wada oder der nationalen Agentur Nada, überlassen, was damit geschieht.

Kommt Armstrong ungeschoren davon?

Dass er als Dopingsünder angeprangert wird, ist in der Nachricht schon erhalten. Er erleidet einen drastischen Imageverlust, wenn das so stehen bleibt. Aber er wird möglicherweise gegen die Veröffentlichung vorgehen.

Armstrong wird nicht gesperrt oder der Toursieg von 1999 aberkannt werden?

Nein, das ist nicht vorstellbar. Der Wada-Code schreibt eine positive A- und B-Probe vor, insofern müssen die Proben einer weiteren Untersuchung standhalten. Das ist in diesem Fall wohl nicht gegeben. Die Sache bleibt, befürchte ich, unbefriedigend im Raume stehen.

INTERVIEW: MARKUS VÖLKER