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Archiv-Artikel

Gratis-Obst wird zum Zankapfel

SCHULÄPFEL Im Bundesrat stimmte Niedersachsen für das Schulobstprogramm – und nimmt wegen des bürokratischen Aufwands nicht daran teil. Auch andere Länder sind skeptisch

Das Schulobstprogramm

Wegen der EU-Auflagen bleiben viele Länder skeptisch.

■ Umfassende Kontrollen sollen vor Betrug schützen.

■ Zucker, Fett, Salz und Süßungsmittel sind verboten.

■ Wer, wie viel und was erhält, muss protokolliert werden.

■ Mindestens einen Zentimeter groß sein müssen die Buchstaben auf dem A 3-Poster zum Programm.

VON UTA GENSICHEN

Niedersachsen verzichtet auf die Teilnahme am Schulobstprogramm der EU – wegen des „unvertretbaren bürokratischen Mehraufwands“. Das Programm sieht vor, Übergewicht bei Grundschulkindern durch kostenloses Obst zu bekämpfen. Rund 12,5 Millionen Euro bekommt Deutschland dafür aus Brüssel. Im Gegenzug sollen die Bundesländer das Programm zur Hälfte mitzufinanzieren. Niedersachsen müsste etwa 1,5 Millionen Euro pro Schuljahr beisteuern.

Das Nein der schwarz-gelben Landesregierung zum Schulobst begründet Ernährungsminister Hans-Heinrich Ehlen (CDU) nicht mit den hohen Kosten. Er verweist vielmehr darauf, dass die Regelungen der Europäischen Union in keinem Verhältnis zum Nutzen stünden. An den bürokratischen Hürden stört sich das Land damit ein halbes Jahr, nachdem die EU-Kommission die Auflagen für das Obst-Programm veröffentlicht hat. Auch im Bundesrat stimmte Hannover dem Projekt zu.

Die Bürokratievorwürfe seien lediglich vorgeschoben, sagt Bernd Lange, Europaabgeordneter der SPD. „Niedersachsen ist offensichtlich nicht bereit, die Kofinanzierung in Höhe von 1,5 Millionen Euro zu Verfügung zu stellen“, sagt er und warnt vor den wesentlich höheren Folgekosten durch Fehl- und Mangelernährung.

Wirklich simpel ist die Umsetzung des Schulobstprogramms allerdings nicht. So müssen die teilnehmenden Bundesländer angeben, wie viel Obst wo und an wie viele Kinder verteilt wird. Zudem müssen regelmäßig finanzielle Kontrollen durchgeführt und die Wirksamkeit des Programms wird geprüft. Großen Wert legt die EU auch darauf, dass die Kinder erfahren, wem sie die Äpfel zu verdanken haben. So soll jede Schule am Eingang „deutlich sichtbar“ ein A 3-Plakat anbringen, das auf das Programm verweist. Dieses Plakat „trägt die Europaflagge“, heißt es in den „Mindestanforderungen an das Poster über das europäische Schulobstprogramm“.

Allein steht Niedersachsen mit seiner Skepsis nicht da. In Mecklenburg-Vorpommern etwa entscheidet am Dienstag das Kabinett über das Schulobstprogramm. Etwa 480.000 Euro hat die EU dem Land zugesichert, 160.000 müsste Schwerin selbst beisteuern. „Damit können wir aber nicht alle Grundschüler erreichen“, sagt eine Sprecherin des Landwirtschaftsministeriums. Auch in Bremen, wo man sich bereits für die Teilnahme entschieden hat, wird gerechnet. Dem Verteilerschlüssel zufolge muss jedes Land etwa ein Drittel selbst finanzieren. Für Bremen entstünden dadurch Kosten in Höhe von etwa 250.000 Euro. „Das reicht gerade einmal, um das Obst zu bekommen“, sagt Karla Götz, Sprecherin des Bildungsressorts – „was aber kosten Logistik und Poster?“

Auf kostenlose Vitamine werden auch die Kinder in Schleswig-Holstein und Hamburg noch warten müssen. Auch dort stehen dem Programm der hohe Aufwand und Eigenanteile von bis zu 500.000 Euro im Weg.