piwik no script img

Archiv-Artikel

ORTSTERMIN: LANDESAMT FÜR VERFASSUNGSSCHUTZ AUF DER „DU UND DEINE WELT“ Nachrichtendienst zum Anfassen

Lief ja alles nicht so gut in den letzten Wochen und Monaten und darum will man jetzt transparenter sein

Am Sonntagmorgen ist noch nicht viel los auf der Messe „Du und Deine Welt“. Keine Wartezeit am Eingang, das ist gut. Kaum Kundschaft an den Ständen, das ist schlecht, weil sich alle auf die paar Besucher stürzen. Schon über eine Mitgliedschaft im ADAC nachgedacht? Massage gefällig? Mal in einen Panzer steigen? Sollen wir Ihre Brille putzen? Enthaaren im Gesicht ganz ohne Schmerzen! Auf Hamburgs Einkaufs und Verbrauchermesse wird gekobert, was das Zeug hält.

Auch am Stand 631 in Halle 5 breitet man freundlich die Arme aus. „Ja, wir sind auch hier, zum ersten Mal, willkommen!“, sagt Marco Haase, beim Hamburger Verfassungsschutzes zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit. Lief ja alles nicht so gut in den letzten Wochen und Monaten und darum wolle man jetzt transparenter sein und sich der Öffentlichkeit stellen. Auch der stellvertretende Leiter, Torsten Voß, sitzt auf einem Barhocker hinterm Infostand mit dem aktuellen Verfassungsschutzbericht, einer Broschüre über Symbole der Rechtsextremisten und mehreren „Andi“-Comics, die Jugendliche über Nazis, Linke und Islamisten aufklären sollen. „Wir sind echt und zum Anfassen!“, sagt Haase, und sein Chef streckt aufs Wort den Arm aus und grinst. Geht auch ohne Anfassen, danke.

Etwas deplatziert wirkt der Verfassungsschutz schon auf einer Messe, die mit Slogans wirbt wie „Was dein Leben schöner macht“ oder „Was dir Freude macht“. Überhaupt ist diese Messe ein bisschen so, als hätte sich hier in den Hallen das Internet materialisiert. Im Netz ist es ein Klick von neuen Haustüren zur Bundesregierung, hier ein Schritt von Sterbebegleitung zu weißen Steppjacken.

Und Hamburgs Innensenator Michael Neumann (SPD) findet, der Verfassungsschutz sei auch Partner und Dienstleister in unserer Gesellschaft, darum der Stand. So richtig was anbieten können sie aber nicht, zu sehen gibt es nur einen Koffer mit Knopflochmikrofon, Abhörgeräte-Aufspürer und Kugelschreiber mit Minikamera. „Was glauben Sie, wie oft wir diese Sachen benutzen?“, fragt Haase in Quizmaster-Manier – vielleicht hat er sich vorher nebenan beim Stand der Bundesregierung inspirieren lassen, da gibt es nämlich ein Gewinnspiel: Wer weiß, wie der Bundestag funktioniert, kann eine Reise nach Berlin gewinnen.

Bei den Verfassungsschützern gibt es nichts zu gewinnen, und die hübschen Spionage-Gerätschaften benutzen sie fast nie. Vor 1989 war das anders, aber heute klingelt man eher bei ausstiegswilligen Nazis und fragt, ob sie an einer Zusammenarbeit interessiert sind. Was die V-Leute verdienen, will er nicht sagen, da müsse man einen Cut machen. Aber so viel, wie immer in der Zeitung steht, sei das gar nicht.

„Ah, Herr Pallhuber“, winkt er einem vorbeilaufenden Weinhändler zu. Jaha, Pallhuber, der von Loriot! Der Großvater des Weinhändlers war Namensgeber für Loriots Sketch mit den Vertretern: „Eine 77er Oberföhringer Vogelspinne, abgezapft und original verkorkt von Pallhuber und Söhne.“ Pallhubers Messestand ist nicht weit, und im Laufe der Woche wäre kurz vor Feierabend ein Gläschen drin. „Kommen Sie vorbei und dann können Sie mit dem Verfassungsschutz Wein trinken!“, sagt Haase. Na, das ist doch sehr verbraucherfreundlich.

ILKA KREUTZTRÄGER