: Das Maß der Dinge
Die First Steps Awards sind der wichtigste deutsche TV-Nachwuchspreis. Die Preisträger-Filme 2005 kommen allerdings ziemlich wuchtig daher
AUS BERLIN STEFFEN GRIMBERG
Machen wir uns nichts vor: Sarah Kuttner ist eine ziemlich begnadete Moderatorin. Und der First Steps Award, der sich im Untertitel ja ganz selbstverständlich „Der Deutsche Nachwuchspreis“ nennt, eine ziemlich begnadete Veranstaltung. „Machen wir uns nichts vor“, sagt also die mittlerweile inklusive Viva zu MTV zwangsverschleppte Frau Kuttner: „Da wird ein dicker roter Teppich ausgerollt für Leute, die kein Arsch kennt. Und das ist fantastisch.“ Eben.
Außerdem gibt es für die Abschlussfilmer – überwiegend AbsolventInnen deutschsprachiger Filmschulen – echtes Geld, eine Seltenheit in diesen medial klammen Zeiten. Und das auch noch gesponsert von Stiftern, die (neben Mercedes) Sat.1, Constantin Film, Teamworx und Spiegel-TV heißen, also – machen wir uns nichts vor – alle den Privaten zuzurechnen sind.
Die Filme allerdings sind wie in jedem Jahr furchtbar öffentlich-rechtlich. Furchtbar öffentlich-rechtlich? Jedenfalls schwer. Dunkel. Zerrissen. Wie „Schläfer“, ein Psychogramm über einen jungen Wissenschaftler, der seinen algerischen Uni-Kollegen auf Geheiß des Staatsschutz im Auge behalten soll. Oder „Tage aus Nacht“: Da will Marie nicht wahrhaben, dass ihr kleiner Philipp bei einem Unfall ums Leben kam, und bleibt außen die Fruchtzwerge kaufende Mutter, die innen zerbricht.
Konsequenterweise geht die Doku-Auszeichnung an „Zur falschen Zeit am falschen Ort“, eine bedrückende Bestandsaufnahme aus dem uckermärkischen Potzlow, wo 2002 drei Jugendliche den 16-Jährigen Marinus nach einem Saufgelage folterten und ermordeten. – Von der „Flucht in die lahme Selbstreflexion, dieses kulturelle Biedermeier der Um-die-Dreißigjährigen“, das Doku-Jury-Mitgied Lutz Hachmeister bei den First Steps 2004 beklagt hat, kann dieses Jahr keine Rede sein.
„Machen wir uns nichts vor: Diese Filme werden nie im Leben auf Sat.1 laufen“, sagt auch Sarah Kuttner. Wobei sich unter den Nominierungen durchaus auch Leichteres, Luftigeres, Experimentelles findet: Bei „Hat Wolff vom Amerongen Konkursdelikte begangen“ macht schon der Titel Spaß, leider gibt es von dieser „Sittengeschichte weitergereichter Unfähigkeit“ (Selbstdarstellung) nur ein paar Ausschnitte zu sehen. Genauso wie vom Küchen-Drama „Das Maß der Dinge“, in dem sich ein Mensch auf die Suche nach der idealen Suppe macht.
Ob wir sie je ganz zu sehen kriegen? Immerhin für viele der abendfüllenden Spielfilme steht die TV-Premiere fest: Fünf der sechs Filme sind in Zusammenarbeit mit dem ZDF-„Kleinen Fernsehspiel“ entstanden.
Aber was wird aus dem schönsten First Step 2005? Dem liebenswerten Kurzfilm vom Wunderkind „Floh“, das eigentlich für reich-doofe Auftragseltern bestimmt war, aber von Leihmutter Antje lieber ins wahre Leben entführt wird? Der so leicht und undeutsch ist. Schon weil er, machen wir uns nichts vor, aus der Schweiz kommt. Könnte sich da bitte umgehend ein Sender finden? Danke.