ORTSTERMIN: DAS ERSTE „MODERN HIPPIE FESTIVAL“ IN HAMBURG : Leere Joints und Plastikrasen
Räucherstäbchenschwaden schlagen mir entgegen, die Stimme von Janis Joplin erfüllt den Raum. Auf einer Leinwand läuft der Film über das Festival, das 1969 die Welt veränderte. Nackte, glückliche, bekiffte Menschen tanzten, sangen und liebten sich im Freien, tranken und feierten ausgelassen – ein Wochenende durch
Heute, 40 Jahre später, treffen sich die „modernen Hippies“ an einem Wochentag in einer Disco in der Stadt. Draußen ist es kalt, nackt keiner, bekifft sind vielleicht ein paar. Dafür gibt es Schaukelstühle und Hängematten, Sonnenblumen baumeln von der Decke, schlingen sich um die Mikrofone auf der Bühne. Bunte Strahler werfen psychedelische Muster auf den Boden: Spiralen, Sonnen, Sterne. Die Besucher sehen hingegen ziemlich normal aus. Dabei war „Hippie“ doch der Trend dieses Sommers: überall Blumenkleider, Peacezeichen und geflochtene Stirnbänder. Nicht hier und heute Abend. Dabei ließe es sich nachholen: An einem Stand gibt es bunten Schmuck, Filzkleider, -taschen und -pullis.
Noch sind nicht viele da. Die Liegewiese – ein künstlicher Grasteppich – wird nicht als solche genutzt: Die Leute latschen einfach drüber. Also erstmal was trinken. An der Bar gibt es heute Abend nicht nur Getränke. Ein Schild „Joint Bar“ hängt da. Auf dem Tresen steht ein Korb mit Tüten. Die scheinen aber nur mit Tabak geladen zu sein, riechen kaum und kosten nichts. Am anderen Ende gibt es Obst: Trauben, Äpfel, Bananen.
Jetzt erklingen die letzten Töne von Joan Baez’ „Joe Hill“, das Liveprogramm beginnt. Mit einer halben Stunde Verspätung betritt die „psychedelische Electric Combo ‚Le Triste Cannibaliste‘“ die Bühne: Metallischer, klirrender, ohrenbetäubend lauter Sound. Kommt aber gut an. Dann tritt der „Mann mit dem schwarzen Hut“ auf – ein original Hippie, der von „damals“ erzählt. Sieht allerdings eher wie ein Backpacker aus: praktische Outdoorklamotten, eine Lederweste mit vielen Taschen, großer schwarzer Schlapphut.
Es folgt ein gewisser Jason Foley, der seine Gitarre dabei hat. Er spielt Stücke von den Beatles, Bob Marley, Bob Dylan und eigene. Die Liegewiese findet langsam Anklang, es wird voller und die Atmosphäre erinnert mit etwas gutem Willen ein bisschen an Woodstock. Jetzt kommen „CMW Trouble Experience“ auf die Bühne, das sind Colo, Mischa und Wolfgang mit einem „Tribute to Jimi Hendrix“. Bei „Purple Haze“ stehen sogar manche auf, tanzen und liegen sich gleichzeitig in den Armen. So viel Love-and-Peace-Stimmung, wie drin ist, an einem Donnerstagabend in Hamburg-Altona. UTE BRADE