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Archiv-Artikel

Rückkehr zum erhobenen Zeigefinger

GENERATIONENVERTRAG Claudia Langer, Gründerin der Internetplattform Utopia.de, stellte im Heimathafen Neukölln ihr Buch „Die Generation man müsste mal“ vor. Angeklagt sind wir alle in dieser Abrechnung

VON SUSANNE MESSMER

Es scheint, als sei die große Zeit der Lohas, jener Spezies der Natururlauber und Bioladeneinkäufer, die „lifestyles of health and sustainability“ leben, vorbei. Folgt man der Lesung Claudia Langers aus ihrem soeben erschienenen Buch „Die Generation man müsste mal“ im Heimathafen Neukölln, so könnte man meinen, es sei eine neue Dekade der Ökobewegung angebrochen – ja vielleicht sogar ein Backlash, eine Art Rückkehr zum erhobenen Zeigefinger.

Aber von Anfang an. Claudia Langer, 47 Jahre alt, begann ihre politische Laufbahn auf Demos und holte sich regelmäßig „Unterleibsentzündungen“, weil sie immer so fror, wie sie im Heimathafen erzählt. Bald hatte sie genug vom biederen Ernst der sozialen Bewegungen, in die sie ihre Eltern gedrängt hatten. Noch als Teenagerin beschloss sie, dass ihr Leben nun langsam lustig werden sollte, gründete aus einer Laune heraus ihre erste Eventagentur, machte einen Haufen Schulden und schließlich mit einer Werbeagentur einen Haufen Geld, indem sie für alle arbeitete, die sie heute kritisiert: die Deutsche Bank, Burger King. 2004 verkaufte sie ihre Agentur und entwickelte die Idee zur Internetplattforum Utopia.de, wo sie Besucher zu Fragen des biologischen Lebens berät. Vielen gilt sie seither als eine der wichtigsten Vertreterinnen der zweiten Generation der Ökos, bei denen Nachhaltigkeit nur geht, wenn sie „as sexy as hell“ ist.

Nun aber hat Claudia Langer ein Buch geschrieben, das ganz und gar nicht ins Bild der beschwingten Beraterin von Unternehmen, Poltik und Medien passt. „Die Generation man müsste mal“ ist ein bitterböser Appell, der uns alle anklagt.

Schlecht für die Kinder

Auf knapp 200 Seiten führt Claudia Langer aus, dass wir die Ersten sind, die den Vertrag der Generationen „stillschweigend kassiert“ haben, die genau wissen, dass es unseren Kindern einmal schlechter gehen wird als uns – und die trotzdem dagegen nichts tun.

Claudia Lenger ist müde geworden, sie hat gemerkt, dass sie mit Utopia.de zu Bekehrten predigt – nur Leute erreicht, die sich ohnehin für ihr Thema interessieren. Und dass sie auf diese Weise die Katastrophe nicht wird verhindern können. „Die Dinge eskalieren“ sagt sie, und meint damit, dass der Klimawandel einfach schneller ist als die biologische Kulturrevolution, die sich ohnehin nur der kleinste Teil der Menschheit leisten kann. Claudia Langer hat eine erstaunliche Wendung vollzogen, wie auch die Moderatoren dieses Abends, Sandra Maischberger und der Chefreporter dieser Zeitung, Peter Unfried, bemerken. Aber wird sie mit ihrem Buch wirklich so viele „erwischen“, wie sie sich wünscht – eine ähnlich Auflage erreichen wie das ähnlich ernste Pamphlet „Empört Euch!“ von Stéphane Hessel, das vor zwei Jahren erschien?

Geht man von der Lesung im Heimathafen aus, muss man befürchten: Nein. Mit höchstens 70 Zuhörern wirkt der große Saal halb leer. Das Publikum ist gemischt, es gibt Junge und Alte. Die aber, die man hier erwartet – coole Jungs mit Schlumpfmützen etwa – sind nicht da.

Auch, wenn Claudia Langer in jedem Punkt Recht hat: Sexy ist das, was sie tut, nicht. So verlässt man diese Veranstaltung ratlos. Es hallt nur nach, was Sandra Maischberger am Ende beizutragen hat. Ob sexy oder moralisch: Appelle helfen nicht. Man kann nur in die Politik gehen.