KURZKRITIK: ANDREAS SCHNELL ÜBER „CARGONAUTEN“ : Brisante Leerstelle
Dirk Laucke hat „ein Theaterstück für Bremerhaven“ geschrieben und sich ausgiebig dort umgeschaut. „Cargonauten“ ist aber eher ein Stück über Menschen, die auf See arbeiten, denn Laucke taucht tief in die politischen, sozialen und psychologischen Fortsetzungen des Berufs „Seemann“ ein – und will mehr, als der Abend in Eindreiviertelstunden erzählen kann.
Da gibt es John, der behauptet, Diakon bei der Seemannsmission zu sein. Gemeinsam mit der echten Diakonin Clara will er marokkanische Flüchtlinge retten, die als blinde Passagiere nach Bremerhaven gekommen sind. Der zweite Strang handelt von der 14-jährigen Prudence, deren Vater auf See ist, während die Mutter todkrank im Krankenhaus liegt. Der Vater sitzt derweil in einer Karaoke-Bar in Bremerhaven und fürchtet, sich mit HIV infiziert zu haben. Und dann sind da noch drei Möwen, die in der Badewanne über Freiheit und Kapitalismus diskutieren.
Viel Stoff, den Regisseur Jens Poth mit viel Gespür für die komischen und emotionalen Momente umgesetzt hat. Da gibt es tolle Szenen, die an die Nieren gehen, wenn Clara (Kika Schmitz) erzählt, wie sie zur Seemannsmission kam. Richard Bahrenberg als ihr „Kollege“ John überzeugt als chaotischer, sympathischer Freak. Und die Möwen (Meret Mundwiler, Isabel Zeumer und Schmitz) sind eine wunderbare Idee.
Am Ende bleibt indes ein eigenartiger Nachgeschmack: Die Flüchtlinge, die Bedingungen, die sie vielleicht in den Tod treiben, sind die große Leerstelle. Laucke sagt dazu im Programmheft: „Wie im echten Leben findet ihr Drama in der Debatte über sie statt. Sie werden nicht gehört, aber ihre Chancen sind gering. Die Festung Europa ist so gut wie dicht und alles ist beim alten im Staate D.“ Aber wäre das nicht der brisantere Stoff?
4.10. und 26.10., 19.30 Uhr, Stadttheater Bremerhaven, Kleines Haus