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Archiv-Artikel

Eishockey auf welligem Nass

Kanupolo ist ein rasantes Ballspiel im Wasser, das immer mehr Freunde findet. An den deutschen Meisterschaften in Grünau haben am Wochenende so viele Teams teilgenommen wie nie zuvor

„Das sieht oft schlimmer aus, als es ist“, meint Kajak-Rambo Diedrich

Von Andreas Rüttenauer

Nach links außen wird der Ball geworfen, ein wenig unpräzise. Der Mitspieler hat Schwierigkeiten, an die Kugel zu kommen. Er wird von seinem Gegenspieler bedrängt, weggeschoben, er kippt um. Dann kann er sich wieder berappeln und wird erneut rüde bedrängt. Schließlich erobert der Gegner den Ball. So sieht ein ganz normaler Zweikampf in einer Sportart namens Kanupolo aus. Die Sportfreunde sitzen im Kajak, während sie um die Bälle kämpfen, sich gegenseitig wegschubsen oder gar zum Kentern bringen. Und wer einmal einen harten Zweikampf um dem Ball gesehen hat, der versteht, warum beim Ausüben des Sports ein Helm mit Gesichtsschutz vorgeschrieben ist.

Auf der Regattastrecke in Grünau, wo ansonsten die Paddler und Ruderer, brav in Reih und Glied geordnet, um die Wette fahren, ging es am Wochenende bei den deutschen Meisterschaften im Kanupolo auf den sieben Spielfeldern so richtig zur Sache. „Wasser-Rugby“, mit diesem Begriff wird im Programmheft zu den Titelkämpfen die Sportart zu beschreiben versucht. In jeder Mannschaft paddeln fünf Spieler auf einem 23 mal 35 Meter großen Feld und versuchen, einen Wasserball in einem der zwei Meter über der Wasserfläche angebrachten Tore unterzubringen. Dabei ist beinahe alles erlaubt.

„Am besten kann man Kanupolo mit Eishockey vergleichen“, sagt Jochem Heinzer, auf dessen Brust ein Schild mit der Aufschrift „Organisationsleitung“ prangt. Er hat die Veranstaltung am Langen See für den veranstaltenden Kajak-Club Nord-West (KCNW) Berlin organisiert. 102 Mannschaften aus 42 Vereinen sind angereist, so viele wie nie zuvor. Kanupolo ist eine Sportart, die an Zuspruch gewinnt. Immer mehr Kinder finden Gefallen an dem Spiel. Ein Grund: Der trainingsintensive Kanurennsport ist für viele Anfänger zu dröge. Beim Kanupolo hingegen kann man auf spielerische Art lernen, ein Kajak zu beherrschen, so Heinzer.

Sein Verein, der KCNW, ist seit Jahren in der Bundesliga vertreten. Einer der Leistungsträger bei den Berlinern ist Hanjo Diedrich. Dreimal in der Woche trainiert er mit der Mannschaft. Beim Fußballspielen holt er sich darüber hinaus die nötige Grundfitness. Er investiert viel in einen Sport, den außer den Aktiven kaum einer kennt. In diesem Jahr ist Kanupolo einmal kurz in den Fokus einer größeren Öffentlichkeit gelangt. Die Frauennationalmannschaft gewann die Goldmedaille bei den World Games, den Wettspielen der nichtolympischen Sportarten, und der WDR zeigte Ausschnitte davon. Diedrich hatte gehofft, in dem Bericht auch das Ergebnis des Männerwettbewerbs erfahren zu können. Doch dass die Männer Silber gewonnen hatten, wurde schon nicht mehr erwähnt. „So ist das eben“, meint der Student, der weiterhin alles geben will für seinen Sport.

Und das ist nicht wenig. Denn Kanupolo ist ein reiner Amateursport. Ausrüstung, die Fahrten zu den Turnieren, Unterkunft und Verpflegung vor Ort – all das zahlen die Spieler selbst. Gerade hat sich Diedrich ein neues Boot für 1.200 Euro gekauft. Das alte war „ganz schön runter“. Kein Wunder bei den harten Duellen Boot an Boot. „Das sieht meistens schlimmer aus, als es ist“, erklärt Diedrich, der trotzdem froh ist, dass auch eine Schwimmweste zur Ausrüstung gehört: „Das ist dann doch ganz gut, wenn man mal von einem Paddel getroffen wird.“

Von den blauen Flecken, die vielleicht dennoch seinen Körper zieren, kann er sich nach der Deutschen Meisterschaft erst einmal erholen. Diedrich wäre gerne mitgefahren nach Madrid, wo in zwei Wochen die Europameisterschaft stattfinden wird. Doch daraus wird nichts. Er sei zwar nahe dran gewesen, aber den Sprung in die Nationalmannschaft hat er in diesem Jahr nicht geschafft. Jetzt muss er versuchen, im heimischen Berlin an Informationen über die Spielen in Madrid zu kommen. Den Fernseher braucht er dazu wohl gar nicht erst einzuschalten. Aber so ist das eben – beim Kanupolo.