: berliner szenen Fehlschlag
Spießigkeit als Stärke
Ob er den Blues vielleicht gefressen hat? Oder sein Image als verschwitzter Erneuerer, als langwimpriges Rock-’n’-Roll-Pin-up des New Yorker Underground, wenn es so etwas gibt? Oder einfach nur neue Schnittmengen bilden wollte? Aber das ist gar nicht so leicht: Wenn Jon Spencer nicht mit seiner Blues Explosion, sondern mit seiner neuen Herzensangelegenheit, der Rockabilly-Band „Heavy Trash“ vorspielen kommt, dann kommt kaum einer zugucken, keine Billys (die sind zu puritanisch), wenig Blues-Explosion-Fans (denen ist das nicht explosiv genug), und der hoffnungsfrohe Rest, der da am Samstag im großen Postbahnhof wartete, der war sich auch nicht ganz sicher bezüglich des Versuchsaufbaus dieses Experiments. Eine knöcherne, dänische Spencer-Epigone am Kontrabass (die vorher schon mit einer eigenen Band parodiert hatte, was Jon Spencer früher machte), Schlagzeug, der Gitarrist Matt Verta-Ray und Spencer selbst drehten am Rockabilly-Rad, mal schneller, mal trashiger, mal souliger, mal punkiger, aber bekamen die Schose einfach nicht anständig adaptiert. Leider. Irgendwie ging der Mix aus den original-spießigen Rockabilly-Arrangements (deren Spießigkeit sonst ja durchaus ihre Stärke ist!), Spencers todernster, durch sein sexy Timbre und seine angestrengt roten Wangen unterstütze Blueslover-Attitüde und dem Quäntum nonchalantem Großstadtkrach nicht auf. Vielleicht ist Jon Spencer einfach zu modern für den ulkigen Reaktionismus des Rockabilly, vielleicht ist er zu sehr New York für die Südstaaten. Vielleicht müsste er noch respektloser dekonstruieren. Ratlos stand man am Ende herum und wippte noch ein bisschen bemüht aus. Schwierig, dieser Jon Spencer Rockabilly Trial.
JENNI ZYLKA