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Archiv-Artikel

Starrer Blick von außen

Ja ist denn schon wieder Tag der Einheit? Im ZDF startet heute die Doku-Reihe „Goodbye DDR“ (20.15 Uhr, ZDF)

Es wird Herbst, Friedliche-Revolutions-Herbst. Und tatsächlich, dieses Jahr jährt sich der 3. Oktober 1990 zum 15. Mal. In jener Nacht stand Helmut Kohl vor dem Reichstag, neben ihm Hannelore und ein sehr, sehr kleiner Lothar de Maizière. Silvesterraketen stiegen in den Berliner Himmel, Schwarzrotgold wurde geschwenkt und das Deutschlandlied abgesungen. Wie konnte es so weit kommen?

Auf derlei Fragen ist das ZDF stets gut vorbereitet. Heute und an den kommenden drei Dienstagen: „Goodbye DDR“ erzählt chronologisch das Werden und Vergehen der größten DDR der Welt. Verantwortlich ist – wie immer bei großen ZDF-Würfen – Guido Knopp. Und diesmal dient die – wie immer dräuende – Musik dazu, im ersten Teil „Ulbricht und der Anfang“ den filmischen Weg des „Machthabers von Pankow“ musikdramaturgisch à la Dictature aufzupeppen. Je weiter die Geschichte des Walter U. fortschreitet, desto dräuender wird der Soundtrack. Vom KPD-Funktionär Ulbricht über sein Exil in Moskau zum Vollstrecker sowjetischen Machtanspruchs in der SBZ nach 1945 bis zu seiner Entmachtung durch Erich Honecker 1971 – alles wird chronologisch erzählt und mit den üblichen Zeitzeugen-Interviews ausgestattet.

Was die ZDF-Doku weidlich ausschlachtet, ist Ulbrichts mediale Performance, die ihm lebenslang nachhing: die Fistelstimme, das Spitzbärtchen, eine Figur wie Rainer Calmund und dann auch noch dieses Sächsisch. Ihn dennoch als machthungrigen, gewaltbereiten Politiker – der er war – zu zeigen, ist schwer. Dem Film gelingt es immer dann, wenn er auf Fakten setzt: Ulbricht hat noch in den Sechzigerjahren Zuchthausstrafen handschriftlich in Todesurteile umgewandelt. Und er hat es nie geschafft, seinen Genossen zu vertrauen. Fritz Schenk etwa, unter Ulbricht Mitglied der Plankommission, quasi des Lenkungsausschusses einer kompletten Volkswirtschaft, gibt zu Protokoll, dass „in seiner Gegenwart die Temperatur um zehn Grad sank“.

Ärgerlich ist dagegen die latente Herablassung: Das erst nach 1989 wirklich prominent gewordene Lied „Die Partei hat immer recht“ wird mannigfaltig eingesetzt. Und unter jedem Filmschnipsel aus dem Archiv ist „DDR-Propagandafilm“, „DDR-Propagandalied“, „SED- Wahlspot“ und weiter eingeblendet. Welchem Missverständnis soll hier bitte vorgebeugt werden? Gerade die frühe DDR war schließlich mehr als Fahneneid und Fackelzug. Nämlich immerhin auch ein Versuch, nach dem Faschismus ein demokratisches Deutschland zu gestalten. Doch „Ulbricht und der Anfang“ (Autoren: Peter Hartel und Henry Köhler) beharrt starr auf seiner Außenperspektive. ANJA MAIER

weitere Folgen: 6./13./20. 9.