: Polska-Pop mit Soniamiki und ein Phonokoffer voller Demos
Man hört ja allerhand, wenn man die Schlesische Straße hinunterläuft. Die Jugend der Welt feiert und produziert dabei ein babylonisches Wirrwarr, dass es eine wahre Freude ist. Seltsamerweise gehört allerdings die Sprache unserer nächsten Nachbarn, das Polnische, nicht eben zu den Idiomen, die im Nachtleben der sich so polyglott wähnenden Weltmetropole Berlin häufig gesprochen werden. Soniamiki könnte das ändern: Denn so coolen Polska-Pop hat bislang niemand gemacht.
Hinter dem Projektnamen versteckt sich Zosia Mikucka aus Lodz. Die ist studierte Trickfilmanimatorin, bei der Musik aber eine Autodidaktin. Trotzdem hat sie auch ihr zweites Album „SNMK“ weitgehend im Alleingang aufgenommen. Nur für das Schlagzeug nahm sie Hilfe in Anspruch: Auf dem trommelt ihr Lebensgefährte Lukasz Lach, der als Ex-Teeniestar und jetziger Frontmann der Rockband L.Stadt in Polen eine echte Berühmtheit sein soll. Ansonsten spielt Mikucka Gitarre und Bass, bedient die allseits beliebten analogen Synthesizer aus der Anfangstagen der elektronischen Klangerzeugung und schraubt alles im Computer zu elegantem wie eingängigem Electro-Pop zusammen.
Der klingt mit seinen breiten, aber schlichten Synthie-Flächen und der melancholischen Grundstimmung sehr oft nach den achtziger Jahren, also ziemlich angesagt. Das Erstaunlichste aber ist, dass es Mikucka mit ihrem Gesang gelingt, das vermeintlich doch eher sperrige Polnisch zu einer Popsprache zu befördern. Auf dem Weg in den Mainstream kommen ihr nicht so sehr die Texte in ihrer Muttersprache in die Quere, sondern eher die Rhythmen, die immer wieder vehement ins Stolpern geraten, als wollte Soniamiki dann doch lieber nicht ins Radio.
Dort sucht man auch den Großteil der Bands vergeblich, die auf „Phonokoffer3“ vertreten sind. Das liegt am Konzept, auf das der Titel verweist: Als junge, hoffnungsfrohe Musikanten noch keine MP3s durch die Welt mailen konnten, schickten sie CDs oder noch früher Kassetten an Verantwortliche im Musikgeschäft. 99,9 Prozent dieser Tonträger landeten in einem Karton, einer Kiste oder eben einem Koffer – und wurden niemals angehört. Bis Gerald Halstenberg kam. Der spielt selbst in so einer Band, die nie groß rausgekommen ist, nämlich Garp, und wühlte sich mitleidig durch Kisten voller Demos.
Das Ergebnis sind die „Phonokoffer“-Kompilationen, deren dritte Folge nun als Vinyl-Pressung in ultrararer Sammlerauflage von nur 100 Stück und als Download erscheint. Versammelt sind jedoch nicht bloß Neuentdeckungen: Dirk Dresselhaus alias Schneider TM, der große alte Mann des deutschen Indie-Rock, hat ebenso ein Stück beigesteuert wie Die Türen. Auch Masha Qrella gehört nicht eben zu den Unbekannten und ist hier als eine Hälfte von Bandaranaik vertreten, die ihren monoton hingerotzten Velvet-Underground-Gedächtnisrock mit einer lieblichen Frauenstimme verzieren. Der Rest allerdings ist zum Entdecken bereit – auch wenn sich die sprachliche Auswahl leider auf Deutsch und Englisch beschränkt. THOMAS WINKLER
■ Soniamiki: „SNMK“ (Moanin’/Alive), live: 6. 10., Antje Öklesund
■ V.A.: „Phonokoffer3“ (phonokoffer.com), live: 5. 10., HBC