: Schöner wohnen mit Rudi Dutschke
Das längere Teilstück der Kochstraße wird in Rudi-Dutschke-Straße umbenannt. Die Axel-Springer-Straße muss ihr Vorfahrt gewähren. Das beschloss das Bezirksparlament – mit fünf Stimmen Mehrheit. Die Reaktionen auf der Straße sind positiv
VON WALTRAUD SCHWAB
Einen „Schampus von Aldi“ wollte der grüne Baustadtrat Franz Schulz aus Friedrichshain-Kreuzberg bei der Bezirksverordnetenversammlung am Montagabend auf die Dutschke-Straße verwetten. Sein Tipp: „Heute endet Rudis Marsch durch die Institutionen.“
Aldi-Champagner? – Mehr war Dutschke dem Baustadtrat dann doch nicht wert. Jemanden, der bei der Wette dagegenhalten wollte, fand Schulz allerdings auch nicht. Am Ende sollte er Recht behalten: Mit fünf Stimmen Mehrheit entschieden die Bezirksverordneten, dass die Kochstraße zwischen Friedrich- und der Kreuzung Linden- und Axel-Springer-Straße nun in Rudi-Dutschke-Straße umbenannt wird – jenes Teilstück, an dem sowohl die taz als auch das Verlagshaus von Springer liegt.
Ein monatelanges Tauziehen ging der Entscheidung voraus. Zum 25. Todestag Dutschkes am 24. Dezember 2004 bat die taz den Bezirk, die Kochstraße umzubenennen. Die PDS machte dies zu ihrer Angelegenheit und brachte in der Bezirksverordnetenversammlung einen Antrag ein. Dass er für alle Parteien zur politischen Nagelprobe werden würde, war von Anfang an klar. An der Straße wird die Bild-Zeitung produziert, deren Hetze den Dutschke-Attentäter nach eigenem Bekunden motiviert hatte, 1968 auf den Protagonisten der Studentenbewegung zu schießen. An den Folgen der Verletzungen starb Dutschke elf Jahre später.
Über acht Monate warfen sich die Parteien ins Zeug, um den Antrag durchzuboxen oder zu verhindern. Kein Argument für oder gegen die Umbenennung war ihnen zu schade. Bei der Diskussion am Montag wurden sie noch einmal vorgetragen. Pro: Dutschke ist Vordenker eines gesellschaftlichen Aufbruchs in der BRD (Linkspartei und Grüne). Contra: Dutschke ist Vorreiter der gewaltbereiten, antidemokratischen Fraktion (CDU). Dazwischen: Dutschke ist wichtig, aber die Kochstraße ist der falsche Ort (SPD, FDP). Gestern kamen von den letztgenannten Parteien noch ein paar Argumente dagegen hinzu: Die Kosten für die Umbenennung seien nicht ermittelt. Die Bürgerbeteiligung sei eine Farce gewesen. „Wischiwaschi-SPD“, raunte es durch die Reihen der Bezirksverordneten, die für die Dutschke-Straße waren. Die CDU wiederum wollte, dass die AnwohnerInnen finanziell unterstützt werden. Es wäre schön, wenn der Staat immer die finanziellen Folgen der politischen Entscheidungen für den Einzelnen abschätzen würde, konterte daraufhin Babette Kern von den Grünen. Die Diskussionen drohte zur Farce zu verkommen. Erst die Abstimmung setzte darunter einen Schlussstrich.
Das Tauziehen um die Rudi-Dutschke-Straße bewirkte einen erwünschten Nebeneffekt: Die Diskussion in den Medien wurde als lebendiger Geschichtsunterricht inszeniert. Nie zuvor sind Dutschke und sein Wirken so intensiv von allen Seiten beleuchtet worden. Zudem hat die Auseinandersetzung gezeigt, wie Demokratie auf der untersten Stufe, dort also, wo ein direkter Kontakt zwischen Politik und Bevölkerung noch gewährleistet ist, funktioniert. Es wird viel gestritten, mitunter auch entlang kleinteiliger Argumente. Wer diesen Prozess beobachtet, sieht, wie die Beteiligten ihre Mehrheiten aushandeln und Kompromisse finden müssen. Dass dieser Findungsprozess mitunter anstrengend, langwierig und auch langweilig ist, dies ist die andere Seite.
Am Ende stand es also 26:21.
Kein Jubel brach aus.