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Archiv-Artikel

Bonuspunkte für Partei-PR

„Ein Zaun, um falsche Nachrichten fern zu halten“: Die chinesische Regierung verschärft zurzeit die Zensur in allen Bereichen. Davon sind zunehmend auch ausländische Medien betroffen

AUS PEKING JUTTA LIETSCH

Ein eisiger Wind weht derzeit durch Chinas Redaktionsstuben. Die Pekinger Regierung verschärft die Zensur wieder. Fernsehen, Rundfunk, Zeitungen und Internet sollen strenger als bisher nach unliebsamen Inhalten durchforstet werden. Offizielles Ziel: Die Jugend solle von schädlichen Inhalten wie Pornografie, Gewalt und „feudalem Aberglauben und falscher Wissenschaft“ bewahrt werden, wie das KP-Blatt Volkszeitung vor wenigen Tagen meldete.

Es ist der jüngste Versuch der KP, die Kontrolle über die Gedanken ihrer Untertanen zu wahren, die ihr in Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs und der Globalisierung zu entgleiten droht. Wieweit er gelingen kann, steht dahin: Noch nie war für Chinesen der Zugang zu Informationen so vielfältig wie heute. Rund 103 Millionen Menschen surfen im Internet, nur in den USA sind es mehr. Gleichzeitig versuchen auch die Zeitungen und Magazine innerhalb des Landes, ihre Spielräume auszutesten. Schon die scharfe Konkurrenz um die Leser zwingt sie, mit möglichst interessanten Artikeln um Auflagen und Werbeeinnahmen zu kämpfen. Selbst das staatliche Fernsehen und der Rundfunk, die einer eigenen Zensurbehörde unterstehen, müssen mittlerweile um Quoten wetteifern. Und die sind nicht mit langweiligen Propagandasendungen zu erreichen.

Doch KP-Chef Hu Jintao versucht derzeit mit allerlei Methoden, den Einfluss der Partei zu stärken: Derzeit organisiert die KP allerorten Polit-Schulungen für ihre 68 Millionen Mitglieder. Mit dem Unterricht will die Pekinger Führung „den fortschrittlichen Charakter der KP festigen“. Gleichzeitig mussten alle chinesischen Journalisten in den vergangenen Monaten ihre Zulassung bei den Propagandabehörden neu beantragen – und sich überprüfen lassen, ob sie politisch auf festem Boden stehen. Die Partei wird derweil nicht müde, sie an die „ruhmreichen Pflichten“ zu erinnern, „die ihnen Partei und Volk auferlegt haben“. Dazu gehöre es unter anderem, „sorgfältig einen Zaun zu errichten, um falsche Nachrichten fern zu halten“.

Besonders bedenklich ist ein neuer Erlass, der es chinesischen Presseleuten verbietet, „von anderen Orten zu berichten“. Diese Vorschrift zielt auf einen der Freiräume, die sich Chinas Journalisten in den letzten Jahren erobert hatten: Auch wenn sie über Skandale in ihrer eigenen Stadt schweigen mussten, berichteten sie über Korruption und soziale Probleme in anderen Orten und Provinzen. So durfte die Pekinger Jugendzeitung, die der Stadt Peking gehört, nichts schreiben, was der KP-Führung in der Hauptstadt missfiel, wie ein führender Journalist berichtete: „Aber Probleme in Sichuan oder Kanton konnten wir aufgreifen.“ Das soll nun vorbei sein.

Selbstzensur gehört zum Alltag der Berichterstatter. Wer heikle Themen ausspart, hat bessere Aussicht auf Lohnerhöhung und Beförderung. Erst vor kurzem führte die Jugendzeitung ein hausinternes Prämiensystem ein. Texte, die von der KP-Propagandaabteilung gelobt wurden, sollten 120 Bonuspunkte einbringen, Artikel, die besonders beliebt bei den Lesern waren, nur 50. Die Chefredaktion ließ den Plan aufgrund von Protesten aus der Redaktion zunächst zwar fallen. Ähnliche Punktesysteme sind aber, wie Journalisten berichten, vielerorts längst üblich.

Weitaus bedrohlicher für die Presse sind die Versuche der Sicherheitsbehörden, gezielt unliebsame Journalisten zu verfolgen. Über 40 sitzen nach Erkenntnissen von Menschenrechtsorganisationen derzeit in Haft. Und auch Mitarbeiter ausländischer Publikationen werden eingeschüchtert. Dem chinesischen Assistenten der New York Times, Zhao Yan, droht zum Beispiel eine hohe Gefängnisstrafe wegen „Verletzung von Staatsgeheimnissen“. Da die KP über dem Gesetz steht, kann sie selbst bestimmen, welche Nachrichten sie als „Staatsgeheimnis“ wertet. Gleichzeitig bemüht Peking sich nach Kräften – und häufig mit europäischer und amerikanischer Technik – darum, unliebsame Radio- und TV-Beiträge ausländischer Sender zu blockieren. Immer wieder werden die Bildschirme schwarz, wenn CNN oder BBC aus China berichten, obwohl sie nur von wenigen Chinesen empfangen werden können. Ausländische Radioprogramme werden vielfach blockiert. „Reporter ohne Grenzen“ warnte jüngst davor, dass Peking „im Äther eine neue chinesische Mauer“ errichte.

Vorerst verflogen sind die Hoffnungen ausländischer Medienkonzerne, den chinesischen Markt erobern zu können. Politiker und Unternehmer – die in ihren Fünf-Sterne-Hotels nicht nur die International Herald Tribune kaufen, sondern auch im Hotel-TV die Deutsche Welle, CNN, BBC oder den französischen TV 5 einschalten können – unterschätzten offenkundig die ideologischen Vorbehalte der KP.

Deshalb gab es für Konzerne wie Time Warner oder Disney ein rüdes Erwachen, als Peking Anfang August neue Vorschriften zur Verteidigung der „Sicherheit der nationalen Kultur“ erließ: Danach dürfen keine weiteren ausländischen TV-Kanäle mehr nach China hineinstrahlen. Derzeit dürfen 31 ausländische Kabelanbieter ihre Programme nach China ausstrahlen, 6 davon gehören der News Corp. des Medienmoguls Rupert Murdoch. Doch künftig sollen Chinas TV-Produzenten möglichst ohne Beteiligung von Ausländern produzieren.