Besser böse

Schriften zu Zeitschriften: Slavoj Žižek analysiert in „Lettre International“ in gewohnter Weise „Die Rache der Sith“

Worin auch immer ihre spirituelle Botschaft besteht – unterschiedslos können alte Männer vom Schlage eines Dalai Lama oder des zum Papst aufgestiegenen Ex-Kardinals Joseph Ratzinger der kollektiven Verzückung ihres Publikums sicher sein. Welch bittere Erkenntnis für den kürzlich zum Anwärter für den Friedensnobelpreis gekürten Noch-Kanzler Gerhard Schröder wie für seine ambitionierte Herausforderin: Demokratische street credibility in der Verkörperung des Guten verdankt sich offenbar höheren Weihen als dem platten Wählervotum.

Dabei könnte ein wenig ideologische Trennschärfe bei der Wahl gesellschaftlicher Idole durchaus nicht schaden – gerade wenn man im Zuge der ganzen unseligen Globalisierungsdiskussionen als Linker vielleicht ein wenig politikmüde geworden ist. Das ist jedenfalls die Erkenntnis des slowenischen Psychoanalytikers und Philosophen Slavoj Žižek in der Sommerausgabe der Zeitschrift Lettre international. Ausgehend von einem Veriss der dritten Star-Wars-Episode „Die Rache der Sith“ gelangt Žižek zur Einsicht, dass auch das vermeintliche Böse dem Wertneutralen vorzuziehen sei.

Die wundersame Rückverwandlung des guten Anakin in den bösen Darth Vader ist für Žižek eine „Popform des Buddhismus“: „Er verwandelt sich in Darth Vader, weil er den Dingen verfällt. … Das macht ihn gierig. Und wenn man gierig ist, dann ist man auf dem Weg auf die dunkle Seite, weil man etwas zu verlieren fürchtet.“ Woraus schon einmal erhellt, warum ein gewählter Politiker, anders als der Stellvertreter Gottes oder der Dalai Lama, in einer asketischen Männergesellschaft wie dem Jedi-Orden nichts verloren hätte und man über Schröders termingerechte Nobelpreisnominierung nur herzhaft lachen kann.

Doch in der filmischen Metamorphose Anakins zu Darth Vader geht es um ein grundlegendes Problem: Wie wurde die Republik zum Imperium? Žižek bemängelt hier die „ideologische Konfusion“ des Drehbuchs, „das New-Age-Motiven verhaftet“ bleibe. Vielmehr hätte man seine Hybris, Gutes tun zu wollen, als Motiv dafür herausarbeiten müssen, dass er später den Appellen Obi-Wans zum Trotz dem Bösen verfällt. Gerade die eigentümliche Ähnlichkeit Darth Vaders mit der Christusfigur mache seine eigentliche Hässlichkeit aus.

Žižeks Filmkritik zielt auf ein kulturelles Missverständnis, das sich durchaus auch in den Bewältigungsstrategien einer von ihrer Regierung im Abwehrkampf gegen chinesische Billigimporte enttäuschten Linken widerspiegelt: Die Suche nach innerer Distanz, „die auf der Einsicht beruht, dass dieser gesellschaftliche und technologische Aufruhr nur ein substanzloses Wuchern von Erscheinungen ist, die den innersten Kern unseres Seins nicht berühren.“

Denn gerade in der missmutigen Apathie, die sich als vermeintliches „Heilmittel gegen die nervenaufreibende Anspannung der kapitalistischen Dynamik präsentiert“, erkennt Žižek das nachteilige Resultat globalisierter Tauschbeziehungen: „Genau in dem Augenblick, in dem auf der Ebene der ‚ökonomischen Infrastruktur‘ die ‚europäische‘ Technologie und der Kapitalismus weltweit triumphieren, ist auf der Ebene der ‚ideologischen Metastruktur‘ das jüdisch-immerchristliche Erbe im europäischen Raum vom Ansturm des ‚asiatischen‘ New-Age-Denkens bedroht, das sich … als die vorherrschende Ideologie des globalen Kapitalismus etabliert.“

So bleibt Žižek nur der moralische Appell an das Böse: „Um dieser Versuchung zu widerstehen, sollten wir dem christlichen Erbe treu bleiben.“ Warum nicht die umgekehrte Prämisse akzeptieren? Dass „der Wert des materiellen Reichtums ebenso wie die eigene Erfahrung der Wirklichkeit subjektiver Natur ist und dass Habenwollen eine entscheidende Rolle sowohl im täglichen Leben als auch in der neoliberalen Ökonomie spielt“. Darin winkt selbst der Linken eine frohe Botschaft: Selbst wenn man die Umstülpungen von Ratzinger zu Benedikt, von Republik zu Imperium, von Gut zu Böse noch nicht ganz begreift, ist spiritueller Eskapismus hier nicht notwendige Folge, sondern wie immer bloß die Ursache des Nichtverstehens. JAN-HENDRIK WULF

Lettre International 69, 2005, 9,80 €