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Archiv-Artikel

„Geschenke für Spitzenverdiener“

Attac weist nach, dass sich „Spiegel“ verrechnete: Kirchhofs Steuerreform ist nicht sozial

BERLIN taz ■ Wie unsozial ist die Steuerreform von Unions-Kompetenzkandidat Paul Kirchhof? An dieser Frage rechnen inzwischen diverse Medien, Ministerien und Organisationen herum. Neuestes Stadium: Das globalisierungskritische Netzwerk Attac wirft dem Spiegel vor, mit falschen Zahlen zu operieren. Kleinlaut musste das Magazin zugeben, dass man sich verkalkuliert habe.

Am Montag wartete das Blatt mit einer kleinen Sensation auf: Kirchhofs Steuermodell sei nicht so ungerecht wie oft behauptet. „Entgegen allen Unkenrufen“, verkündete der Spiegel, belaste Kirchhof „die Besserverdiener weit mehr als angenommen“. Das sei „die vielleicht größte Überraschung seines Konzepts“.

Dieses Fazit erstaunte tatsächlich – senkt doch Kirchhofs Konzept gerade die Spitzensteuersätze für Besserverdiener radikal. Der Exverfassungsrichter schlägt bei den Einkommensteuern im Wesentlichen vor, dass eine Flatrate von 25 Prozent gelten soll. Bisher reicht die Progression bis 42 Prozent.

Allerdings sollen alle Steuervergünstigungen gestrichen werden. Hier setzt nun die umstrittene Spiegel-Rechnung an: Ein verheirateter Manager mit zwei Kindern und einem Jahresbrutto von 300.000 Euro sowie weiteren Einnahmen von 50.000 Euro müsste beim Kirchhof-Modell 68.224 Euro zahlen – während es bisher nur 61.648 Euro seien. Der Grund für diese Mehrbelastung: Der Manager könne „einige gängige Abschreibungsmodelle“ nicht mehr nutzen.

Attac kam jedoch beim gleichen Fall auf andere Zahlen: Derzeit müsste der Manager nicht 61.648 Euro an Steuern zahlen – sondern 85.145 Euro. Von der Kirchhof-Reform würde er also massiv profitieren und 17.000 Euro zusätzlich kassieren.

Doch auch ansonsten sind die Spiegel-Berechnungen erhellend. So nahm das Magazin an, dass bei Kirchhof kein Solidarzuschlag mehr anfällt. Derzeit sind dies 5,5 Prozent, die auf die Einkommensteuer aufgeschlagen werden. Kein Wunder, dass dann die Entlastungen auch bei den unteren und mittleren Einkommen stattlich wirken. So würde eine ledige Krankenschwester mit einem Jahresbrutto von 36.000 Euro durch Kirchhof jährlich um knapp 1.000 Euro entlastet. Addiert man jedoch den Solidarzuschlag, so gewinnt die Krankenschwester nur noch 672 Euro.

Für einen verheirateten Ingenieur mit zwei Kindern und einem Jahresbrutto von 60.000 Euro sähe die Rechnung noch trüber aus. Laut Spiegel kommt er mit Kirchhof auf ein Steuerplus von 579 Euro. Inklusive Solidarzuschlag verblieben davon jedoch nur 201 Euro.

Es dürfte kaum realistisch sein, dass Kirchhof auf den Solidarzuschlag verzichten kann – bringt dieser doch „14 bis 15 Milliarden Euro jährlich“, wie die SPD-Fraktion überschlagen hat. Diese Mittel sind zwingend nötig. Schließlich, so haben die Finanzminister ausgerechnet, würde Kirchhofs Modell anfangs 43 Milliarden Euro kosten. Für Attac ist klar: Es wären „riesige Geschenke für die Spitzenverdiener“. ULRIKE HERRMANN