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Jeder Schluck eine Spende

Der ehemalige Zweitliga-Profi Benny Adrion vom FC St. Pauli hilft mit seinem Verein Viva con Agua Menschen auf der ganzen Welt, an sauberes Trinkwasser zu gelangen

Splashmob: Unterstützer der Wasserinitiative Viva con Agua protestieren gegen die schlechte Qualität des Alsterwassers Foto: Daniel Bockwoldt

Von Marco Carini

Diese Geschichte beginnt mit der Verwandlung eines Fußballprofis in einen Sozialunternehmer. Anfang 2005 ging es für den ehemaligen Zweitliga-Profi Benny Adrion mit seinem Verein, dem FC St. Pauli ins Wintertrainingslager nach Kuba. Dort erlebte der Mittzwanziger, wie schwierig die Trinkwasserversorgung auf der Insel war. Das Thema ließ Adrion nicht mehr los und so kümmerte sich der Profi immer mehr um das Thema Trinkwasser und immer weniger um seinen eigentlichen Job.

Die Folge: Die Profikarriere Adrions endete im zarten Alter von 25 Jahren im Sommer 2006. Im selben Jahr gründete er mit ein paar Mitstreitern den Verein Viva con Agua (VCA) de Sankt Pauli und führte im Zusammenarbeit mit der Welthungerhilfe in Havanna das erste Projekt durch, wo in 153 Kindergärten und vier Sportinternaten Wasserspender zur Versorgung mit sauberem Trinkwasser aufgestellt wurden.

Die Geschichte des Profifußballers, der seine Karriere bei dem ohnehin etwas anderen Profiverein FC St. Pauli aufgibt, um sich für die Wasserversorgung von Menschen in allen Teilen der Welt zu engagieren, begeisterte die Medien, und Benny Adrion, der immer ein Lächeln auf den Lippen trägt und es versteht, mit einer Kamera zu flirten, wurde zu einer Art alternativem Pop-Star aufgebaut.

Viva con Agua wurde bundesweit bekannt, wuchs schnell und Adrion eilte von Ehrung zu Ehrung für sein Engagement. 2009 erhielt er das Bundesverdienstkreuz am Bande, obwohl er auch heute noch nicht über das eigentlich erforderliche Mindestalter von 40 Jahren verfügt. Bereits drei Jahre zuvor hatte Adrion den taz Panter Preis eingeheimst.

Mit medialem Rückenwind wuchs Viva con Agua, das immer eng auch mit dem FC St. Pauli verbunden blieb. So stellt der Fußballklub jeden Sommer sein Stadion für die Kunstausstellung „Millerntor Gallery“ zur Verfügung, deren Erlöse zum großen Teil Viva con Agua zugute kommen, und erlaubt dem Verein das Sammeln von Pfandbechern bei Heimspielen.

Der gemeinnützige Verein Viva con Agua gründete Tochterunternehmen, etwa eine Stiftung und eine Beteiligungsgesellschaft, und hat zahlreiche Aktivitäten ins Programm aufgenommen, um Spenden für sauberes Trinkwasser zu generieren. Heute gibt es Ortsgruppen, sogenannte Crews, in über 50 Städten, Ableger des Vereins auch in der Schweiz, Österreich, Spanien, den Niederlanden und in Uganda. Die Vereins-Aktivisten sammeln auf vielen Open-Air-Events wie dem Hurricane-Festival Pfandbecher.

Für die meisten Supermärkte und Kneipen gehört es zum guten Ton, Viva con Agua zu führen

Seit 2010 verkauft Viva con Agua über eine seine Tochterfirma Mineralwasser. Längst gehört es für die meisten Supermarktketten, aber auch zahlreiche Kneipen und Restaurants zum guten Ton, die Marke im Sortiment oder auf der Getränkekarte zu führen. Verkauften sich 2010 eine habe Million Flaschen, waren es im vergangenen Jahr schon mehr als 23 Millionen. Im laufenden Jahr werden es wohl über 30 Millionen Flaschen sein.

Der Überschuss aus dem Non-Profit-Projekt – 2017 mehr als 700.00 Euro – fließt in weltweite Wasserprojekte. „Wir möchten den Menschen einfache Möglichkeiten bieten, sich im Alltag zu engagieren, in diesem Fall durch eine simple Kaufentscheidung“, erläutert der Geschäftsführer der VCA-Wasser GmbH das ziemlich gute Geschäft mit dem schlechten Gewissen.

Inzwischen ist sogar schon – natürlich recyceltes – VCA-Klopapier auf dem Markt. Dass auch Mineralwasser aufwendig verpackt und transportiert werden muss, ist den Verantwortlichen bewusst. Obwohl es der eigenen Geschäftsidee schadet, gibt der Verein die Parole aus: „Leitungswasser ist die nachhaltigste Variante des Wassergenusses!“

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