Bildung soll Bayern nachahmen

Innovationsminister Andreas Pinkwart will die Investitionen in Forschung und Entwicklung auf 2,5 Prozent des Bruttoinlandproduktes steigern. Profitieren werden nur wenige: „Wir brauchen den Mut zur Ungleichheit“

VON HOLGER ELFES

„Wir können nicht in allem Spitze sein“ – Andreas Pinkwart (FDP), der neue NRW-Innovationsminister, setzt auf neuen Realismus bei der Bewertung der Wissenschaftslandschaft NRW. Doch bei der Vorstellung der neuen schwarz-gelben Bildungspolitik sparte Pinkwart nicht mit Vorwürfen gegen die abgewählte Landesregierung und Vorgängerin Hannelore Kraft. Viel zu viele Forschungsbereiche seien zu so genannten Clustern erklärt worden.

Etwa die Biotechnologie. „In Bayern lacht man sich über uns tot, wenn wir erklären, dass wir da überall Spitze sind“, sagte der FDP-Minister. Stattdessen will Pinkwart gezielter Forschungsschwerpunkte bilden, lieber einige Bereiche aus dem weiten Feld der Biotechnologien herausstellen und entwickeln anstatt die gesamte Breite des Themenfelds abzudecken. Überhaupt hält der Chaosforscher einige der bisher als Schwerpunkte propagierten Forschungsbereiche lediglich für „gefühlte Schwerpunkte“. Er habe im Ministerium keinerlei Belege vorgefunden, die die Auswahl begründen könnten. Das soll sich jetzt ändern. In den nächsten Wochen soll eine beim Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung in Essen bestellte Studie vorliegen, die Potenziale und Schwächen der NRW-Wissenschaftslandschaft analysiert.

Schwächen sieht Pinkwart allenthalben. Keine der vielen NRW-Hochschulen – mit Ausnahme von Bonn und Aachen –verfüge über internationales Renommee. Vor allem werde nicht ausreichend in Forschung und Entwicklung investiert: „In NRW werden aus öffentlicher und privater Hand nur 1,77 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) dafür aufgewendet.“ In Deutschland insgesamt seien es hingegen 2,51 Prozent, in den Vorzeigeländern Bayern und Baden- Württemberg sogar über drei oder fast vier Prozent. Kleiner Schönheitsfehler: Die Zahlen stammen aus dem Jahr 2001.

Dennoch geht Pinkwart davon aus, dass der langjährige Trend bis heute anhält, durch den NRW immer weiter den Anschluss an den Bundesschnitt verloren habe. Angestrebt ist ein auch von der Europäischen Union geforderter Anteil von drei Prozent des BIP. Ein weiter Weg ist es bis dahin, immerhin geht es um große Milliardenbeträge.

Rund ein Drittel der Forschungsinvestitionen trägt derzeit die öffentliche Hand, den Rest die Wirtschaft. An die appellierte der Innovationsminister, sich mehr ins Zeug zu legen. Die Landesregierung selbst wolle ihren Anteil von heute 0,6 Prozent des Bruttoinlandprodukts auf immerhin ein Prozent erhöhen. Wie dieser gewaltige Anstieg angesichts der auch von Pinkwart eingestandenen katastrophalen Haushaltslage zu stemmen ist, bleibt erst mal das Geheimnis des Professors.

Bis dahin wird es eine Politik der kleinen Schritte: Hier ein wenig mehr Kooperation, wie zwischen den Universitäten Dortmund und Bochum, dort vielleicht ein neues Max-Planck-Institut. Von neuen “Leuchttürmen“, die Licht und Glanz in die Strukturwandelregion NRW bringen sollten, will Pinkwart nichts mehr wissen: „Die erwiesen sich zu häufig als Wunderkerzen.“

Außer Geld will der Innovationsminister den Forschungseinrichtungen mehr Freiheit zugestehen. Eine Politik, die auch schon die Vorgängerin betrieben hatte – wie Pinkwart bekannte. Allerdings will er Hochschulen und Institute noch stärker an deren Leistung messen: „Wir müssen mit dem Prinzip ‚Lieber alle gleich schlecht als unterschiedlich gut‘ brechen.“ „Mut zur Ungleichheit“ nennt der Minister diesen Politikwechsel.

Bei der Mittelvergabe sollen diejenigen mehr abbekommen, die Kooperation betreiben. Cluster-Bildung durch eine Vernetzung universitärer und außeruniversitärer Forschung mit industriellen Unternehmen ist sein Ziel. Auch forschungsintensive Unternehmensneugründungen aus den Hochschulen sollen gefördert werden.

Für so manche Hochschule, vor allem aber Wissenschaftsbereiche wie die Kulturwissenschaften dürften harte Zeiten anbrechen. Wer anwendungsfernere oder wenig Profit versprechende Themen beackert, dürfte keinen Partner in der Industrie finden. Gerade für Geisteswissenschaftler wird die Sponsoren- oder Kooperationspartnersuche wohl noch mühsamer.