Der Bodenständige

Abseilen wollte Konrad Wolking sich nicht, aber dabei sein schon. Der 55-Jährige hat sich gestern extra einen Tag freigenommen, um ab sechs Uhr morgens die Zufahrt zur Lingener Brennelementefabrik zu blockieren. Seit 1979 werden hier Brennstäbe für Atomkraftwerke hergestellt und weltweit verschickt – einen Abschalttermin gibt es für die Anlage trotz Atomausstieg nicht. Deswegen ist Wolking hier.

Während zwei Aktivisten von Robin Wood auf Bäume klettern und sich samt Transparent über der Zufahrt abseilen, sitzen Wolking und die anderen von der Anti-Atom-Gruppe Osnabrück darunter – mit gelben Fässern und Strohsäcken. So lange, bis die Sitzblockade von der Polizei aufgelöst wird. „Teilweise recht rabiat“, sagt Wolking.

Seit etwa zwei Jahren ist er aktiv in der Osnabrücker Anti-Atom-Gruppe. Nimmt sich jedes Jahr vier Tage Urlaub, geht dann protestieren statt Gabelstapler zu reparieren. Gestern waren sie nur zu neunt, aber das macht ihm nichts. „So lange jemand von uns Notiz nimmt, haben wir was erreicht“, sagt Wolking.

Er war auch früher schon aktiv in der Bewegung, Jahrzehnte her, sagt er, Brokdorf und so. Und damals sei die Polizeigewalt schon deutlich schlimmer gewesen als heute. Aber irgendwann sei er dann einfach zu bequem geworden. Bis zum 28. Oktober 2010.

An diesem Tag verkündet die CDU-geführte Bundesregierung den Ausstieg aus dem Atomausstieg und verlängert die Laufzeiten der AKW. „Als ich das hörte, dachte ich sofort, das reicht, das kann ich nicht mitmachen“, sagt Wolking und vorbei ist’s mit seiner Bequemlichkeit. Er sei überzeugt davon, dass man raus müsse aus der Atomkraft. „Und wir waren ja mit Rot-Grün schon auf einem guten Weg“, sagt Wolking. Atomkraft sei ganz einfach undemokratisch und könne immer nur gegen den Willen der Bürger durchgesetzt werden. Das wolle er nicht mitmachen. Richtig besonders kann er das nicht finden. „Och, ich bin ein Otto Normalverbraucher“, sagt Wolking. Ein ganz normaler Mensch, nur ein wenig engagierter.  ILK