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Lieber Herr Becker,

Foto: taz

ich schreibe Sie nun ausdrücklich nicht mit Ihrem Vornamen an, denn nach Ansicht der hervorragenden ARD-Doku „Der Spieler“, die anlässlich Ihres 50. Geburtstages erstellt wurde, habe ich gelernt, dass Sie eben nicht „unser Boris“ sind. „Ich bin nicht eurer Boris“, das ist mir im Gedächtnis geblieben – und das hat Sie mir sympathisch gemacht.

Gleichwohl bin ich wie der Rest Deutschlands, auch nach Beendigung Ihrer Sportkarriere, weiter mit Ihren Belangen beschäftigt, denn diese werden stets in der Öffentlichkeit verhandelt. So habe ich mitbekommen, dass Sie gerade – neben einem Insolvenzverfahren und einer anstehenden Scheidung – Schwierigkeiten mit Ihrem Pass haben. Regierungsvertreter der Zentralafrikanischen Republik, deren Attaché für Sport, Kultur und humanitäre Angelegenheiten Sie seit April sind, behaupten, dass der Ihnen ausgestellte Diplomatenpass gefälscht sei. Wenn dem so wäre, wäre Ihre damit einhergehende Immunität futsch, die Sie vor weiteren gerichtlichen Auseinandersetzungen schützen soll.

Ich empfehle Ihnen die Anschaffung eines Passes des Künstlerkollektivs „Neue Slowenische Kunst“, das nach dem Zerfall Jugoslawiens einen eigenen Staat ausgerufen hat: „NSK – Staat in der Zeit“. Die Künstler waren damals der Überzeugung, dass die Zukunft einer überstaatlichen, postnationalen Gesellschaft gehört, und gründeten daher einen Staat, der auf den Prinzipien der Ästhetik und des kritischen Denkens fußen sollte.

Heute besitzen fast 14.000 Personen, zu denen auch ich zähle, einen NSK-Pass. Nicht nur, weil sie sich für Kunst interessieren, sondern auch aus Begeisterung für dieses politische Experiment.

Herr Becker, beantragen Sie einfach unter passport.nsk.si einen NSK-Pass und werden Sie Bürger des ersten globalen Staates – denn Weltbürger sind Sie doch längst, einer der wenigen, die dieses Land hervorgebracht hat. Dieses Land, das nach dem Zweiten Weltkrieg lange Jahrzehnte in einer Provinzialität erstarrt war, in die nun einige am liebsten wieder zurückkehren würden.

Herr Becker, dies ist nur ein gut gemeinter Rat. Der Pass sieht übrigens einem Diplomatenpass zum Verwechseln ähnlich. Und ernsthaft: Lassen Sie sich nicht unterkriegen.

Herzlich, Ihr Martin Reichert

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