: Motiv Hoffnung
Die Kulturstiftung des Bundes ist ein Vorzeigeprojekt rot-grüner Kulturpolitik. Nach der Bundestagswahl wird sie sich wohl neu orientieren müssen
VON KATRIN BETTINA MÜLLER
„Panzerkreuzer Potemkin“: Groß abgebildet sind die Einstellungen dieses Filmklassikers auf den Seiten einer Zeitschrift der Kulturstiftung des Bundes (KSB), zu deren geförderten Projekten die Restaurierung des Films und die Erforschung seiner wechselhaften Rezeptionsgeschichte gehört. Die Bildstrecke verleiht dem Heft etwas von dem Geist eines Manifests, dessen Echo man auf der Spur ist.
Zwischen den Bildern vom Aufstand der Matrosen sind Essays zu lesen über die Chancen, wie sich das Gedenken an Friedrich Schiller und Albert Einstein für die Reflexion der Gegenwart nutzen lässt, ein Interview mit Michael McLaren und die Vorstellung eines Kulturnetzwerkes, das Projekte in Sofia, Warschau, Zagreb, Sarajevo und anderen osteuropäischen Städten mit Partnern in Deutschland verbindet. Was all diese Themen verbindet, ist nicht nur, auf der Agenda der Bundeskulturstiftung eine Rolle zu spielen. Durch alle Texte und vorgestellten Projekte zieht sich auch die Hoffnung als ein großes Motiv, mit Kunst- und Kulturprojekten die Kommunikation über gesellschaftliche Bedürfnisse weitertragen zu können. Und ebenso ist eine große Vorsicht zu spüren, sich nicht vereinnahmen zu lassen in schnellen Sinnstiftungs- und Symbolisierungsprozessen.
750 Projekte hat die Bundeskulturstiftung in den fünf Jahren ihres Bestehens bisher unterstützt. Dass dies alles so glatt abgewickelt werden konnte, liegt auch an der Struktur aus Jury, Stiftungsrat und Stiftungsbeirat, mit Hortensia Völckers, der Künstlerischen Direktorin, an der Spitze.
In den Zeiten des Rückblicks auf eine rot-grüne Koalition gehört die KSB zu den Vorzeigeprojekten: nicht nur, weil sie von der rot-grünen Bundesregierung ins Leben gerufen wurde, sondern auch weil ihr das Kunststück gelang, „politiknah und staatsfern zugleich“ zu arbeiten, wie Hortensia Völckers hervorhebt. Politiknah, weil viele ihre Förderentscheidungen kulturpolitisch begründet waren: als Impulsgeber in strukturschwachen Regionen etwa. Politiknah auch, weil all dies von einer Jury aus Kunstproduzenten und Interessenvertretern gegenüber einem mit politischen Vertretern besetzten Stiftungsrat durchgesetzt wurde. Staatsfern aber, weil nicht die Repräsentation, die Begleitung politischer Entwicklungen oder Konstruktionen nationaler Identität die Inhalte vorgaben. Gerade ihre Offenheit im Profil und ihr Ansatz, Themen zu setzen, sind aber auch die Seiten der KSB, die möglicherweise in Zukunft, unter einer Koalition von CDU und FDP anders besetzt werden könnten.
„Das ist der Punkt: Welche Art von Themen in der Zukunft gesetzt werden“, sagt Hortensia Völckers, die in der Auflage von thematischen Programmen das wichtigste Instrument der Stiftung sieht. Ein Thema, mit dem ökonomische Brüche und soziale Verschiebungen in großem Ausmaß, nicht nur in Deutschland seit der Wende, mit Kunst- und Recherchearbeiten verfolgt wurden, waren die Schrumpfstädte. Ähnlich weit in die Gesellschaft greift das Thema Migration aus, das Hortensia Völckers besonders am Herzen liegt: „Fünfzig Jahre Vertragsarbeit, die Geschichte der Gastarbeiter – das ist eines der größten Projekte, die wir initiiert und betreut haben. Das beginnt am 30. September in Köln, im Kunstverein und an anderen Orten, mit Ausstellungen, einem Filmfestival und Symposium.“ Ein anderes Thema, das zur Zeit vorbereitet wird, ist die „Zukunft der Arbeit“. In solchen Schwerpunktsetzungen ist unschwer die Ermunterung zu einer kritischen Perspektive zu sehen, die auch nach Verantwortung für soziale Konflikte fragt und nach Alternativen sucht, selbst wenn das in der Kunst oft nur modellhaft durchgedacht wird. Bis jetzt kann man nur mutmaßen, ob gerade eine solche Lenkung des Blicks in Zukunft weiterhin unter die vornehmsten Aufgaben der Kultur gezählt wird.
Bisher versucht die KSB durch ihre Fördermaßnahmen langfristig und in einen Um- und Neubau von Infrastrukturen zu investieren. Ein Beispiel ist der Tanzplan Deutschland, 2004 beschlossen, der 12,5 Millionen über einen Zeitraum von fünf Jahren vergibt. Ein anderer Schwerpunkt im Bereich Theater ist ein bis 2008 neu eingerichteter Fond für Projekte, die sich besonders mit den Lebenssituationen in sozialen Randbezirken auseinander setzen und deren Bewohner in die Arbeit einbeziehen. Denn gerade für ein Publikum, das sonst nicht ins Theater geht, neue Formate zu erfinden, hält Hortensia Völckers auch deshalb für wichtig, weil wir in einer Situation des Umbruchs leben. Der Konsens, dass Kultur für alle da sein sollte, könnte sonst zu einer bloßen Behauptung werden.
Neben der Themensetzung hat die KSB auch einen Topf „Allgemeine Projektförderung“, mit 5 bis 6 Millionen Euro im Jahr. Ungefähr um die 800 Anträge werden jedes Mal eingereicht, mal sind viele HipHopper dabei, mal viele Archäologen, immer ein paar Prominente wie Peter Stein oder Christoph Marthaler. Der Topf hat der Stiftung oft den Ruf des bunten Salats und der Beliebigkeit eingetragen. „Auch wenn wir oft dafür sind, dass da diese Kunstprojekte, oft kleine Blüten in einer Region, in der sonst wenig passiert, umgesetzt werden, ist tatsächlich bei vielen schwer vermittelbar, warum sie gerade von uns, der Bundeskulturstiftung, gemacht werden müssen“, weiß auch Hortensia Völckers.
Dennoch war die Einrichtung des Topfs ein wichtiges Instrument zur Zeit der Etablierung der Stiftung: erstens, um den Anfangsverdacht der Kulturszene gegen die Stiftung zu entkräften, hier würde eine nationale Identitätsfabrik gebaut und Staatskünstler gefördert. Außerdem begreift die Leiterin den Topf auch als ein Medium, zu erfahren, „wie produziert wird, an welchen Themen gearbeitet wird, unsere Partner kennen zu lernen. Für den Preis, dass wir geguckt haben, was tun die da draußen, haben wir uns etabliert, und das war wichtig.“ Allerdings ist die Kleinteiligkeit auf Dauer ein Problem, dem sie in der Zukunft gern über mehr thematische Setzungen gegensteuern würde.
Entscheidend für das zukünftige Profil der KSB wird der Prozess ihrer Fusion mit der Kulturstiftung der Länder sein. Sie war schon einmal in die Wege geleitet und auf Arbeitsebene vorbereitet. Einen Strich durch die Rechnung machte ihr ein Ministerpräsidententreffen im Kanzleramt und die Modalitäten um das Vetorecht eines Landes: Als Arbeitsbedingung für die Stiftung war die Vorstellung untragbar, dass jedes Projekt, ob in Nordrheinwestfalen, Berlin oder Leipzig, durch die Stimme eines einzelnen Bundeslandes gekippt werden könnte.
Jetzt aber sehen die Chancen für eine Fusion anders aus. Denn unter dem Vorzeichen einer wahrscheinlichen schwarz-gelben Koalition werden wohl auch die CDU-regierten Länder bereit sein, sich für eine Lösung einzusetzen. Inhaltlich ist Völckers darauf vorbereitet: „Sobald wir mit der Kulturstiftung der Länder zusammen agieren, kommt die Diskussion neuer Inhalte auf uns zu. Dann haben wir das ganze Spektrum: Erbe und Gegenwart. Als große Leistung steht dann an, dieses Verhältnis zwischen Gegenwart und Erbe so klug wie möglich miteinander in Beziehung zu setzen. Das heißt, der Ankauf von wertvollem Kulturgut für die Museen wird sicher ein Kerngeschäft der Kulturstiftung der Länder bleiben. Der Themensetzung aber, die unsere Aufgabe ist, sollten keine Grenzen von historischen Zeiträumen gesetzt werden. Das war bisher ein Designfehler in der Konstruktion der beiden Stiftungen, die Trennung in Erbe und Gegenwart.“
Da sich die Vertreter aller großen Parteien dazu bekannt haben, dass eine Stimme der Kultur auf Bundesebene wichtig ist und das Staatsministerium für Kultur mindestens bestehen bleibt, wenn nicht erweitert und hochgestuft wird, besteht kein Anlass, den Fortbestand der Kulturstiftung des Bundes zu bezweifeln. Sicher wird der Vorsitz des Stiftungsrats wechseln, den bisher Christina Weiss, die Staatministerin für Kultur und Medien, einnimmt. Norbert Lammert, wahrscheinlich ihr Nachfolger, ist jetzt schon als Vertreter des Bundestages im Stiftungsrat vertreten. Ob mit der vorgezogenen Wahl auch die Vertreter des Auswärtigen Amtes, des Finanzministeriums, des Bundestages und der Parteien im Stiftungsrat wechseln, wird noch diskutiert.
Auf jeden Fall haben Hortensia Völckers bisher keine Signale erreicht, die mehr repräsentative Events, mehr Hochkultur, mehr Absicherung des Bestehenden statt Anstoß für neue Strukturen und mehr Bespielung prominenter Orte von der Stiftung wünschen. Dennoch ist vorstellbar, dass sich die Gewichte verschieben könnten, wenn die Mittel der Stiftung mehr in Anspruch für kompensatorische Leistungen genommen werden: da einzuspringen, wo Länder und Kommunen an der Kultur einsparen. Bisher hat sie dem programmatisch entgegengesteuert.