piwik no script img

Archiv-Artikel

So wär’s richtig, Frau Kandidatin

VON COSIMA SCHMITT

Frauen fördern, aber richtig – dafür müssen Sie, Angela Merkel, nicht zur Nischenpolitikerin mutieren. Sie brauchen gar nicht feministische Manifeste statt Wirtschaftsdaten zu studieren. Das wäre zu einseitig. Eine Kanzlerin ist keine Klientelkämpferin. Sie muss die Vielfalt des Daseins würdigen. Doch diese umfasst eben auch die Interessen der Bevölkerungsmehrheit: der Frauen. Viel wäre erreicht, wenn Sie allein das täten, was wirtschaftlich, vernünftig und zeitgemäß ist. Ein Wunschzettel.

 Mehr Trennschärfe!

Bekehren Sie Ihre Partei zu mehr Trennschärfe. „Die Frau“ wird in Ihrem Wahlprogramm ganze dreimal thematisiert: als Prostituierte, Zwangsverheiratete – und in der Rubrik „Familie“. So wahr es ist, dass nach wie vor besonders Mütter an Babybett und Spielplatz wirken – Frauenpolitik darf sich nicht auf den Ausschnitt „Mutter“ verengen. Und Familienpolitik muss ebenso auf den Mann zielen. Beide Gebiete haben Schnittmengen. Identisch sind sie nicht. Schon gar nicht in einer Zeit, die mehr von Vätern einfordert als ein gut gefülltes Konto. Und in der das Modell Kinder, Ehe, Eigenheim seine Allmacht eingebüßt hat.

■ Machen Sie Ernst mit der Förderung von Beruf und Familie!

Das traditionelle Hausfrau-Ernährer-Ideal hat an Strahlkraft verloren – selbst innerhalb Ihrer Partei. Sie war vorwärtsgewandt genug, die „bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ ins Wahlprogramm zu schreiben. Nun ist es an Ihnen, Frau Merkel, Taten folgen zu lassen. Schließlich unterstützen sonst unionsferne Frauen Sie vor allem aus einem Grund: weil sie Sie als Vorkämpferin weiblicher Führungsmacht sehen.

■ Bündeln Sie Ihre Kräfte, indem Sie sich auf die Hauptprobleme beschränken!

Dabei hilft Ihnen die Forschung. Denn die Analyse ist klar. Das Lamento „Frauen in Deutschland schaffen es nicht in Führungspositionen“ verhüllt ein differenziertes Bild. Frauen erringen durchaus gehobene Posten. Sie werden Abteilungsleiterin, vielleicht Vizechefin – aber das war es dann auch. Eine „gläserne Decke“, wie Forscher es nennen, trennt sie von der höchsten Macht. Und genauer betrachtet sind es nicht „die Frauen“, die auf Unter-Chef-Sesseln Platz nehmen. Dies glückt vor allem einer Teilgruppe: den Kinderlosen. Den großen Rest zermürbt der Zeitkonflikt zwischen Job und Familie.

Damit ist klar, an welchen beiden Fronten Ihre Frauen-und-Karriere-Politik fechten muss. Sie soll mehr Frauen in Spitzenjobs bringen – und Eltern das Miteinander von Beruf und Kind erleichtern.

■ Kämpfen Sie für mehr Frauenförderung in der Privatwirtschaft!

Sie sollten durchsetzen, dass öffentliche Aufträge nur an Firmen vergeben werden, die sich um Frauenförderung bemühen. Dies hätte den Charme, dass Chefs gezielt nach weiblichen Talenten fahnden müssten. Ohne Druck von außen gelingt dies zu selten. Denn nach wie vor hemmt ihr erwartbarer Lebensweg die Karriere der Frau: Weil lediglich 5 Prozent der Väter Elternzeit nehmen, investieren Firmen nur ungern in Frauen. Zu hoch ist das Risiko, das Nachwuchstalent ans Mutterdasein zu verlieren. Daher sollten Sie sich als Avantgardistin bewähren – und durchsetzen, was Rot-Grün bis dato aufgeschoben hat: Ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft. Vorbehalte Ihrer Parteikollegen können Sie entkräften. Das Gesetz ist nicht als Knebel geplant, der Betriebe mit starren Vorgaben piesackt. Vielmehr zwingt es sie, die Lage der Mitarbeiterinnen zu analysieren. Das Traditionsargument der Zweifler, ein solches Gesetz schwäche die Wirtschaft, wird mehr und mehr durch die Forschung widerlegt. Je größer der Bevölkerungsschwund, je anspruchsvoller die Berufswelt, desto weniger können sich Firmen leisten, dass ihnen womöglich der talentierteste Mitarbeiter entgeht – die Mitarbeiterin.

■ Bauen Sie die Kitas aus!

Beenden Sie die Scheinheiligkeit Ihrer Partei, die sich das Thema „Beruf und Familie vereinbaren“ ins Programm schreibt – und gleichzeitig den Ausbau der Kindertagesstätten an die Bundesländer abschiebt. Blicken Sie auf Finnland oder Dänemark, wo angesichts weniger Einwohner früh das Bewusstsein reifte: Der menschliche Geist ist ein knappes Gut. Es ist fatal, ihn zu vergeuden.

Die Idee umfassender Betreuung ist bestechend, weil hier ein Instrument viele Missstände mindert. Es stärkt jene Kinder, die zu Hause eben nicht mit Biokost, Babyschwimmen und Blockflötengruppe umsorgt werden. Vor allem aber entkräften preisgünstige Kitas jene Scheinlogik, die heute noch allgegenwärtig ist: Da eine Tagesmutter teuer ist und Frauen häufig schlecht bezahlt arbeiten, bleiben sie lieber ganz zu Hause. Die Logik ist falsch, weil sie nur den Moment bedenkt. Zu viele Pausierende finden nicht mehr zurück in den Job. Schon aus Eigennutz müsste Ihre Regierung das unterbinden. Denn so viele Steuern, wie dem Staat entgehen, wenn er eine Frau teuer ausbildet und dann ins Hausfrauendasein entlässt – so viel kann eine Kita gar nicht kosten.

 Entwickeln Sie ein klares Leitbild!

Letztlich müssen Sie schaffen, was Rot-Grün nicht gelang: Sie müssen die Frauen- und Familienpolitik auf ein einheitliches Leitbild trimmen. Noch kennzeichnet sie ein Sammelsurium der Widersprüchlichkeiten. Relikte aus Heimchen-am-Herd-Zeiten mischen sich mit modernen Ansätzen. Einerseits klagen Ihre Unionskollegen, dass für den Kita-Ausbau das Geld fehlt – andererseits beharren sie auf dem Ehegattensplitting, das den Staat Jahr für Jahr Milliardensummen kostet. Dabei gibt es fragwürdige Anreize. Denn vom Splittingvorteil profitieren vor allem jene, die das klassische Rollenmodell leben: den Ernährer Mann. Gedacht war das Konzept als Ausgleich für Familien, in denen die Frau ihre Job aufgibt, um sich den Kindern zu widmen. Doch das ist längst als Trugschluss entlarvt. Knapp die Hälfte der Paare, die das Splitting nutzen, leben gar nicht mit Kindern zusammen.

So unterstützt auch Ihre Partei ein System der Verschwendung. Der Staat steckt Summen in Frauen- und Familienpolitik, mit denen andere Länder weit mehr erreichen. Natürlich sollen Sie den Beruf nicht zum alleinigen Glücksquell verklären. Sie sollen nicht jene bedrängen, die sich lieber der Vollzeitsorge für Heim und Kind widmen. Aber Sie müssen knappe Mittel verantwortungsvoll verwalten – indem Sie sie dahin lenken, wo sie am ertragreichsten sind.

So überzeugen Sie auch Zauderer. Eine solche Politik ist keine generöse Gabe an die emanzipationswillige Frau. Sondern eine rentable Investition. Sie stärkt Ressourcen, die unsere Zukunft sichern.