heute in hamburg
: „Man wird fast automatisch Naturschützer“

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Krzysztof Wesolowski, 63, ist Biologe und Umweltreferent des Nabu Hamburg.

Interview Petra Schellen

taz: Herr Wesolowski, warum sollen wir ab heute Insekten zählen?

Krzysztof Wesolowski: Weil sich alles auf sie stützt. Man kann nicht sagen, ich bin Vogel- oder Fledermausfan, aber kein Insektenfreund. Insekten sind Nahrungsgrundlage für viele Tiere und letztlich auch für uns. Außerdem werden sie als Bestäuber gebraucht. Und zwar nicht nur die Honigbienen, sondern etliche Fliegen-, Wespen- und Bienenarten.

Wie ist die Insektensituation in Hamburg?

Da, wo noch etwas blüht oder in Naturschutzgebieten wie der Fischbeker Heide oder dem vom Nabu betreuten Duvenstedter Brook finden Insekten genügend Nahrung. Auf häufig gemähten, strikt gepflegten Rasenflächen weniger.

Heute beginnt die vom Nabu initiierte bundesweit erste Insektenzählung durch Laien. Schafft die Forschung das nicht allein?

In der Tat ist die Forschung nicht imstande, Insekten flächendeckend zu zählen. Dieses Citizen-Science-Projekt lehnt sich an unsere Kampagne „Stunde der Gartenvögel“ an, bei der Laien Vögel zählen.

Aber wissenschaftlich exakt ist das nicht.

Nein, und das ist auch nicht der Anspruch – zumal wir für die Zählung häufige Arten ausgesucht haben, die leicht zu erkennen sind. Trotzdem bekommen wir so relativ flächendeckende Informationen, können bestimmte Entwicklungen dokumentieren und vielleicht auch die Politik unter Zugzwang setzen.

Um das Zählen zu erleichtern, schaltet der Nabu ab heute die neue App Insektenwelt frei. Wie funktioniert sie?

Sie bietet 122 Insektenporträts, eine fotografische Erkennungsfunktion, und die Zählergebnisse kann man in zwei Zeitfenster eingeben. Man zählt eine Stunde lang, wobei das Beobachtungsgebiet nicht größer als zehn Meter in jede Richtung vom eigenen Standort sein soll.

Nabu-Aktion „Insektensommer“: bis 10. 6.

Werden die Citizen-Science-Projekte bislang gut angenommen?

Die Vogelzählungen laufen gut, und der „Insektensommer“ hoffentlich auch. Denn es ist ja ein hochaktuelles Thema. Außerdem hält man sich bei diesen Temperaturen gern im Freien auf und kann das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden.

Und hinterher sind wir alle Naturschützer?

In der Tat ist Partizipieren etwas anderes, als wenn die Information von außen kommen. Wer mitgezählt hat, sucht aktiv Informationen und wird – so hoffe ich – fast automatisch zum Naturschützer. wirtschaft + umwelt 9