: Letzte Worte
In der Galerie K’erforscht Hannah Regenberg die zum Objekt erstarrte Kommunikation in Skulpturen: monumentale Buchstaben von hier, undefinierte organische Formen von dort
Von Andreas Schnell
Es ist eine Frage des Blickwinkels – und ganz gewiss kein Zufall, dass der erste Blick in den Ausstellungsraum der Galerie K’eindeutig ein „a“ zeigt. Begibt man sich in den Raum hinein, scheint nämlich zunächst nur weniges eindeutig. Das „a“ bildet den Querschnitt einer muschelförmigen Skulptur, die die Künstlerin Hannah Regenberg neben anderen Arbeiten derzeit unter dem wohl gewollt dubiosen, weil fast alles und ziemlich nichts sagenden Titel „Kommunikation“ zeigt.
Aus anderen Richtungen sieht man im selben Objekt eine organisch wirkende Form, die zugleich deutliche Spuren ihrer Herstellung, ihres Gemachtseins zeigt. Das Objekt hat Regenberg mit Hilfe eines 3-D-Druckers hergestellt, der die Gussform für Bronze lieferte. Auf einem weiteren Sockel am anderen Ende des Raums steht, oder besser: hängt das Gegenstück dazu, der größere Teil der Muschelform, der wie ein archaisches Pac-Man-Figürchen in den Sockel beißt. Wodurch der Buchstabe, dessen Abstraktion nach wie vor das Material bildet, natürlich unsichtbar wird.
In den anderen Arbeiten der Ausstellung ist bei äußerlich recht unterschiedlichen Ergebnissen ein ganz ähnliches Prinzip am Werk. Die weißen Leisten beispielsweise, die da scheinbar etwas achtlos in der Mitte des Raumes liegen, sehen zunächst wie schlichte Profilleisten aus. Die Profile selbst allerdings sind in ähnlicher Weise Zeichenformen wie bei der Muschel.
Ein E, ein L sind da deutlich zu erkennen. Und man könnte auch hier eine Menge Es und Ls produzieren, in dem man sie scheibchenweise von den Leisten abschneidet, ein bisschen wie bei den industriell gefertigten Stangen- oder Langeiern für die Großgastronomie. Die haben allerdings den Zweck, dass die aufgeschnittenen Scheiben eine möglichst einheitliche Größe haben. Regenbergs „Stangenbuchstaben“ weisen aber, wie schon die Muschel, keineswegs industrielle Uniformität auf. Eher wirken sie wie Ausschuss aus serienmäßiger Produktion, haben Bruchstellen und Dellen.
Etwas weniger eindeutig sieht die Sache dann bei den schwarzen Platten aus, die an den Wänden der Galerie hängen. Sie könnten durchaus ausgedehnte Hs sein, aber auch negative Fs. Sie scheinen auch makelloser als die angefressen wirkende Muschel oder die Profilleisten. Allerdings nur auf den ersten Blick. Bei genauer Betrachtung ist nämlich zu sehen, dass der Lack deutliche Spuren eines unsachgemäßen Auftrags aufweist.
Die Materialien sperren sich gleichsam unter den Händen der Künstlerin, verweigern sich dem Zugriff, wenn auch nur mit partiellem Erfolg. Aus ihnen so etwas wie Zeichen zu formen, heißt, auf die elementare Ebene schriftlicher Sprache zu zielen. Wenn es schon um die Entleerung der Sprache geht, wie es im Begleittext der Galerie steht, geht es doch zumindest noch nicht um eine Entleertheit von Sprache.
In einer Edition, die die Galerie zur Ausstellung herausgibt, verleiht Regenberg ihren Objekten noch eine Dimension: Geradezu architektonisch wirken sie da – und sind in ihrem abstrakten Material immer noch Buchstaben. Überlebende einer uferlosen und damit beinahe bedeutungslosen Kommunikation?
Bis 16. Juni, Galerie K’
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