leserinnenbriefe :
Kein Stress an der Kasse
■ betr.: „Kampfzone Kasse“, taz vom 25. 10. 09
Wie gehen eigentlich andere Völker mit den Scannerkassen um? In Norwegen habe ich die Erfahrung gemacht, dass sich weder KundInnen noch KassierInnen an der Kasse stressen lassen – trotz Lidl, trotz der exakt selben Kasse mit abgeschnittener Ablagefläche. Es dauert einfach so lange, wie es eben dauert. Vielleicht liegt es ja an der Gruppendynamik einer Gesellschaft: In den Seminaren an der Uni, in den Schulklassen dort stellt man fest, dass der einzelne Mensch im Vergleich mehr zählt als die Gruppe. Wer zu spät kommt, stört nicht, es wird ihm oder ihr einfach noch einmal erklärt, was bisher passiert ist. Vielleicht ist es ein typisch deutsches Phänomen, dass niemand derjenige sein will, der die Gruppe aufhält – und sei es so eine zusammengewürfelte Gruppe wie an der Supermarktkasse! NICO STORZ, Freiburg
Allgemeiner Zwangsdienst
■ betr.: „Einstieg in den Ausstieg“, taz vom 28. 10. 09
Sie stellen korrekt fest, dass die Wehrpflicht heute vor allem Personalgewinnungsinstrument ist. Vor diesem Hintergrund handeln Sie allerdings die menschen- und verfassungsrechtliche Problematik eines allgemeinen Zwangsdienstes recht lapidar ab: Mehrfach in Karlsruhe gescheitert, kann man nix machen. Ein Hinweis auf die auch vom Verfassungsgericht sehr kritisch betrachtete Frage der Wehrgerechtigkeit (die durch eine Dienstzeitverkürzung nur unwesentlich gesteigert wird) oder auf die bereits im Jahr 2000 von der Weizsäcker-Kommission als zwingend notwendig erklärte „militärische Relevanz“ der Wehrpflicht (die durch die Dienstzeitverkürzung weiter gesenkt wird) hätte gut getan.
Vor allem aber: Auch zur Personalgewinnung taugt die Wehrpflicht nicht besonders. Um jährlich 6.000 bis 7.000 Zeit- und Berufssoldaten zu gewinnen, werden jedes Jahr rund 100.000 Wehrpflichtige eingezogen und ein Vielfaches davon durch zeit- und kostenintensive Musterungs- und Verweigerungsprozeduren geschleust. Bei Kosten für das System Wehrpflicht von etwa 1,3 Mrd. Euro pro Jahr gibt der Bund für die Gewinnung eines Zeitsoldaten auf diesem Weg also rund 200.000 Euro aus. Das kann jede Personalvermittlungsagentur billiger, effizienter und ohne willkürliche Eingriffe in die Lebensplanung nicht interessierter Kandidaten. PAUL SCHÄFER, MdB, Obmann der Fraktion Die Linke im Verteidigungsausschuss
Unangenehme Pflichten
■ betr.: „Israel in der Pflicht“, taz vom 28. 10. 09
Die Wasserverteilung zwischen Israel und den Palästinensern bestimmt allein Israel. Darum trägt es auch die alleinige Verantwortung. Dass auch die palästinensische Autonomiebehörde in dieser Sache Fehler macht, mag sein. Aber was kann dieser Nichtstaat ohne Land und Handlungsmöglichkeiten denn ausrichten? Welches Gewicht kann palästinensisches Fehlhandeln an der Misere überhaupt haben? Die Kommentatorin übergeht diese Frage. Dafür stellt sie gleich an zwei Stellen ihres Kommentars die israelische und die palästinensische Verantwortung verbal auf eine Stufe unter Vermeidung jedweder Abwägung.
Hier zeigt sich die auch sonst weit verbreitete Tendenz, den Nahost-Konflikt durch Gleichsetzung der Parteien zu entschärfen, ihn moralisch erträglich zu machen für die zuschauende Westweltöffentlichkeit. Dadurch lässt sich das eigene Nichttätigwerden leichter ertragen. Mit Kritik an den „fast täglichen Übergriffen von Siedlern“, an der es nach Meinung der Kommentatorin nicht mangelt, ist jedoch wenig getan. Wenn nicht endlich spürbar Druck auf die israelische Regierung ausgeübt wird, wird sich gar nichts ändern, weder in der Wasserfrage noch überhaupt. Doch vor unangenehmen Pflichten möchte man sich lieber bewahren. Die Gleichsetzung der Konfliktparteien kann dabei helfen. GERHARD EDLER, Minden
Keine Ironie der Geschichte
■ betr.: „Einmal Asiat, immer Asiat“, taz zwei vom 27. 10. 09
Nein, Felix Lee, es ist keine Ironie der Geschichte, sondern höchst erfreulich, dass in unserer Republik seit vier Jahren die politische Führung von einer Frau wahrgenommen wird und diese für weitere vier Jahre gewählt wurde. Nun werden ein homosexueller Außenminister und ein in Vietnam geborener Gesundheitsminister, der nach Deutschland adoptiert wurde, der Regierung angehören. Da sind Träume in Erfüllung gegangen von einer weltoffenen Gesellschaft, von Gleichberechtigung und von Toleranz. Ironie der Geschichte: Was ist das überhaupt? Eine Phrase. GEORG WIPPERT, Hahausen
Ein nutzloser Kompromiss
■ betr.: „Schonfrist für Kleinlaster“, taz vom 29. 10. 09
Dies ist ein nutzloser Kompromiss, der zudem zu spät greift. Mein Vorschlag: Geschwindigkeitsbegrenzungen. Lkw 80 km/h, Kleinlaster 100 km/h, Pkw 130 km/h. Und Polizisten einstellen, die diese Begrenzungen auch kontrollieren und die vor allen Dingen den Auftrag erhalten sie durchzusetzen. Das würde mit den bereits bestehenden Modellen zu Spriteinsparungen von ca. 10 Prozent führen und damit auch zu entsprechend niedrigerem CO2-Ausstoß. Der Anreiz, immer stärkere, die Umwelt mehr belastende Modelle zu kaufen, würde wegfallen, und dann würde es der Industrie bei zielgerichtet stimulierter Nachfrage gelingen, sparsamere Modelle zu entwickeln.
HERMANN BOCK, Mutterstadt