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Archiv-Artikel

Wie Hamburg einmal nach Terroristen fahndete und sich dabei blamierte

Es war das ganz, ganz große Ding, und eine echte Bewährungsprobe für die Hamburger Polizei. Mehr als tausend Beamte waren im Großeinsatz, riegelten die zentralen Kreuzungen ab, kontrollierten arabisch aussehende Autofahrer. Auch Bahnhöfe und Busse wurden durchsucht. In den Hamburger Zeitungen waren am gleichen Abend Bilder veröffentlicht worden. Sie stammten von einer Überwachungskamera und zeigten drei Männer in einem Bus. Auch die Bevölkerung war also alarmiert, bis zum folgenden Tag gingen mehr als 60 Hinweise ein.

Der Fahndungseinsatz war einer der größten in der Hamburger Nachkriegsgeschichte. Ausgelöst worden war er dadurch, dass ein aus Ägypten stammender Passant drei Männer an einer Bushaltestelle belauscht hatte. Sie hätten sich auf arabisch darüber unterhalten, dass sie am nächsten Tage als „Helden vor Allah“ stehen würden. Überdies trug einer der drei einen verdächtigen Rucksack.

Hamburgs Innensenator Udo Nagel sagte zu der Aktion, dass der Hinweis des Passanten noch vor zwei Jahren nicht genügt hätte, um eine Fahndung dieser Größenordnung auszulösen. Nach den Anschlägen in London habe sich die Lage aber geändert.

Am Tag nach der Großfahndung wurde einer der drei Männer gefasst, die anderen beiden stellten sich. nach stundenlangen Verhören wurden sie freigelassen. Der Chef des Landeskriminalamtes hatte zuvor eingeräumt, es lägen keine Hinweise vor, dass sie einen Terroranschlag geplant hätten. Möglicherweise habe es sich um einen „schlechten Scherz gehandelt“.

Nachdem sich der Verdacht in Luft aufgelöst hatte, wurden Fragen laut. So behauptete der Anwalt der drei zuerst als Tschetschenen, dann als Inguschen bezeichneten fälschlich Verdächtigten, seine Mandanten sprächen überhaupt kein Arabisch. Auch der Publizist und Nahost-Experte Peter Scholl-Latour meldete sich zu Wort und bezeichnete die Fahndung als „grotesk“. „Das Schlimmste im Kampf gegen den Terror ist, wenn Behörden hysterisch reagieren“, meinte Scholl-Latour.

Auch der Spiegel griff die Geschichte auf. Selbst wenn die drei Männer einen Terroranschlag geplant hätten, so das Magazin, wären die Ermittler „wohl ohnehin zu spät gekommen“. Vom Hinweis des ägyptischen Zeugen bis zum Großeinsatz verging nämlich fast ein ganzer Tag. Erst nahmen die Polizeibeamten den Hinweis nicht ernst, dann war kein Auto frei. Erst am nächsten Morgen begann der Staatsschutz zu ermitteln.

Nach Informationen des Spiegel sind sogar die Kollegen über den Hamburger Innensenator verärgert. So hatte Udo Nagel das eigens für solche Fälle eingerichtete „Terrorabwehrzentrum“ in Berlin erst so spät unterrichtet, dass eine Lagebesprechung nicht mehr möglich war. Auch die Bundesregierung habe sich zu spät informiert gefühlt. taz