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Archiv-Artikel

Das Menetekel Seifenengel

KOMÖDIE In „Die Wahrheit über Männer“ erzählt Nikolai Arcel von einem Dänen, der als Drehbuchautor gerne seine Beziehungen ohne Filmklischees organisieren würde

Ständig werden das romantische Ideal und die Wunschvorstellung mit der (ebenso erfundenen) „Realität“ konfrontiert

VON WILFRIED HIPPEN

„Wenn Dein Leben ein Film wäre, würdest Du ihn dir ansehen?“ Der Drehbuchautor Mads kann gut formulieren und Geschichten erzählen, doch mit diesem Spruch kommt er seinem eigenen Dilemma unangenehm nahe. Dabei hat er solche Dialogstellen wie diese schon ein paar Szenen vorher genau kategorisiert: Es ist „der geistreiche, doch ambivalente Satz“, der in der Mitte des zweiten Akts gesprochen werden sollte. Wird er dann ja auch, allerdings in einem Film im Film, den Mads sich gerade als sein tiefgehendes Meisterwerk erträumt, dessen Titel ja vielleicht mit „Die Wahrheit über ...“ anfangen sollte. Mit solchen narrativen Schleifen ist „Sandheden om maend“ (so der Originaltitel) prall gefüllt, denn sein Protagonist weiß genau, wie eine Filmdramaturgie funktioniert. Deshalb will er auf alle Fälle die gängigen Konventionen vermeiden und dennoch das Skript für eine gelungene Geschichte verfassen. Das ist ein wenig so wie „den Kuchen zugleich essen und behalten wollen“ (noch solch ein Spielfilm-Klischee-Satz), aber Mads macht es sich dadurch noch schwerer, dass er nach dieser Prämisse auch leben will.

Deshalb erscheint ihm ein Seifenengel, den ihn Freunde bei der Feier zum 10. Jahrestag seiner Beziehung mit Marie geschenkt haben, wie das Menetekel eines langweiligen, bürgerlichen Lebens. Er hat eine schöne, kluge Frau, die ihn liebt und als Autor für Fernsehserien einen sicheren, gut bezahlten Job, doch genau diese bequeme Sicherheit stößt ihm unangenehm auf. Das soll alles gewesen sein? Was ist mit der großen Liebe und dem triumphalen künstlerischen Durchbruch ? Seine Karriere hatte so vielversprechend mit dem Drehbuch für einen Kinderfilm begonnen, den alle Frauen, denen er später begegnet, in ihrer Kindheit geliebt haben. Doch dann ging es über zwei nicht so erfolgreiche Filmprojekte bergab, bis er im Team einer Krimiserie landete, wo er für die „Struktur“ zuständig ist und die Szenen automatisch eher tippt als verfasst. Er ist mit allem unzufrieden, also kündigt er den Job, verlässt er die Freundin. Dies tut er gleich in drei Varianten (Streit, letzter Sex und Wehmut), die der Regisseur gleichwertig nacheinander inszeniert. Dieses ständige Spiel mit Fantasien, Möglichkeiten und erzählerischen Mitteln macht den Reiz dieses Films aus.

Ständig werden dabei das romantische Ideal und die männliche Wunschvorstellung mit der (natürlich ebenso erfundenen) „Realität“ konfrontiert: Mads sucht die große Liebe seiner Jugend und als er sie dann findet, hat sich der wunderschöne Freigeist von einst in eine depressive graue Frau verwandelt, die nur von ihren Niederlagen und Therapien erzählen will. Eine 19-jährige Geliebte himmelt Mads nur ein paar Wochen lang an und dann wird ihm mit der Rücksichtslosigkeit der Jugend klargemacht, dass er alleine ihren Lebenshunger nicht stillen kann.

Irgendwann analysiert Mads tatsächlich sein Leben wie ein Drehbuch und als ihm klar wird, dass ihm dabei der Moment der Epiphanie fehlt, ohne den ein Held nicht die für ein Drama nötige Wandlung erfahren kann, sucht und findet er ihn am Bett eines Freundes, der nach einem Herzanfall im Koma liegt. Und dort gibt es tatsächlich eine Erweckung, und diese wird dann auch als eine trivial, melodramatische Version vorgeführt, die Mads im Film seines Lebens so nicht sehen möchte. Aber dann gibt es im Krankenzimmer doch noch eine subtile Variante des „Wendepunktes“, die Mads Suche und den Film zu einem halbwegs befriedenden Abschluss führt. Denn der Regisseur Nikolaj Arcel arbeitet hier immer wie ein Zauberer, der dem Publikum erst scheinbar alle seine Tricks verrät, diese dann aber so geschickt variiert und umwandelt, dass es doch wieder auf sie hereinfällt.

So ist Thure Lindhardt in der Rolle des Mads ein überraschend sympathischer und verletzlicher Antiheld, obwohl er durch die Inszenierung ständig aus der vermeintlichen Realität gestoßen wird. Diese Brüche inszeniert der Regisseur Nikolaj Arcel so übermütig und einfallsreich, dass man ihm auch solche barocken Verzierungen verzeiht, wie einen U-Bahnzug, der Mads bei einer besonders plötzlichen Trennung umhaut. Er hat auch kurze Sequenzen aus den von Mads geschriebenen Filmen inszeniert, und so sind einige Schlüsselszenen als Kindertrickfilm, Krimi, Kunstkino und Historiendrama in Szene gesetzt. In all diesen Genres hat Nikolaj Arcel tatsächlich gearbeitet. Sein letzter Film war etwa „Die Königin und der Leibarzt“, der 2012 auf der Berlinale gleich doppelt prämiert wurde. Dieser Erfolg war wohl einer der Gründe dafür, warum der schon 2010 gedrehte „Die Wahrheit über Männer“ jetzt noch einen deutschen Verleiher gefunden hat.