: 130 Ateliers gekillt
RAUSWURF Künstler müssen Frappant verlassen, obwohl über Ikea-Filiale noch nicht entschieden ist
Das ehemalige Karstadt-Gebäude auf der Altonaer Großen Bergstraße wurde in den Siebzigerjahren gebaut und stand – wie das benachbarte Forum Altona – seit langem leer.
■ Etliche Künstlerinitiativen zogen 2003 in das Forum Altona.
■ Das Forum Altona räumen mussten die Künstler 2009, weil es saniert werden sollte. Seither residieren die meisten von ihnen – mit regulärem Vertrag – im benachbarten Frappant-Gebäude.
■ Einen Kaufvertrag hat Ikea im Juli 2009 unterschrieben. Der allerdings enthält eine Ausstiegsklausel: Bei Dauerprotest aus dem Viertel kommt Ikea nicht. Derzeit laufen zwei Bürgerinitiativen – eine für, eine gegen Ikea. Der Bezirk will im Januar entscheiden.
Hamburg ist derzeit kein gutes Pflaster für freie Künstler. Bald werden auch die 130 Kunstschaffenden aus dem Frappant-Gebäude in Altona ausziehen müssen – und das nach einer Woche, in der die Künstler im Gängeviertel mehrere Häuser räumen mussten. „Am 30. November ist Schluss“, sagt Oliver Gruß, Sprecher der Münchner Immotrading GmbH, die das Gebäude in der Großen Bergstraße besitzt. Dann läuft der Zwischennutzungsvertrag mit den Künstlern aus, der wider Erwarten jetzt doch nicht verlängert wird. „Wir gehen davon aus, dass sich die Künstler vertragsgemäß verhalten und die Flächen ordnungsgemäß zurückgeben“, sagt Gruß. „Diese Kündigung ist ein Schock“, sagt Gianna Schade, die Sprecherin der Künstler. „Wir hofften, mindestens bis zum Frühjahr bleiben zu können.“
Noch ist nicht sicher, ob der schwedische Möbelkonzern Ikea das Gebäude abreißen und stattdessen eine eigene Filiale eröffnen wird. Vereiteln könnte das Vorhaben ein Bürgerentscheid, den die Bürgerinitiative „Kein Ikea in Altona“ initiiert hat.
Der Grund für die Kündigung sei „Gefahr für Leib und Leben“, steht in einem Schreiben, das der taz vorliegt. „Ein Winterbetrieb“ könne nicht aufrechterhalten werden, weil die technischen Voraussetzungen für eine Beheizung und Klimatisierung „außer Betrieb gesetzt“ worden seien. Gianna Schade weiß das. „Deshalb sind wir vor einer Woche mit einem Elektriker und dem Hausmeister durch das Haus gegangen und haben Alternativen geprüft.“ Die Künstler wollten mit Ölradiatoren heizen, wofür der Bezirk einen Zuschuss versprochen habe, sagt Schade.
Noch im September hatte der Bezirk beschlossen, den Künstlern bei der Suche nach neuen Räumen zu helfen. Auf den aktuellen Rauswurf reagieren die Abgeordneten allerdings unbeeindruckt. „Wir schauen da nur zu“, sagt Bezirksamts-Sprecher Rainer Doleschall. „Das ist ein Geschäft zwischen Privatleuten, da mischen wir uns nicht ein.“ Zudem habe der Bezirk „keine eigenen Objekte, die wir vergeben könnten. Das regelt die Finanzbehörde, und mit der sind die Künstler im Gespräch.“
„Wir möchten, dass eine gute Lösung für sie gefunden wird“, sagt indessen eine Ikea-Sprecherin. Dass Künstler keine Ateliers fänden, scheine ja „ein hamburgweites Phänomen“ zu sein. Die „Besetzer“ des Gängeviertels jedenfalls erklären sich solidarisch mit den Frappant-Künstlern: „Es ist eine Frechheit, dass es bis zum Bürgerentscheid keinen Aufschub für die Künstler gibt“, sagt Künstlerin Marion Walter.
IRIS HELLMUTH, SVEN STILLICH