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Archiv-Artikel

„In Karlsruhe würde die CDU verlieren“

Wirtschaftsrechtler Heinz-J. Bontrup sieht gute Chancen für die Gewerkschaften, die Tarifautonomie zu verteidigen

taz: Herr Bontrup, wenn die Gewerkschaften gegen Einschnitte in der Tarifautonomie streiken würden – wäre das legal?

Heinz-J. Bontrup: Politische Streiks sind den Gewerkschaften grundsätzlich verboten. Aber die Gewerkschaften könnten natürlich dafür sorgen, dass es zu einer Diskussionswelle in den Unternehmen kommt, die den Produktionsprozess empfindlich stören würde. So etwas würde man dann nicht politischen Streik nennen, sondern anders etikettieren – etwa als Informationsveranstaltung wie im vergangenen Jahr bei Opel. Für die Volkswirtschaft wäre so eine Entwicklung völlig kontraproduktiv.

Was könnten die Gewerkschaften denn überhaupt tun?

Der einzig juristisch legale Weg ist meiner Auffassung nach eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht.

Hätte eine solche Klage Aussicht auf Erfolg?

Sehr gute Aussichten sogar. Meiner Meinung nach steht das Ergebnis sogar schon im Vorhinein fest: Die CDU würde in Karlsruhe mit Pauken und Trompeten verlieren. Über Arbeitszeiten und Löhne zu verhandeln, ist allein Aufgabe der Tarifvertragsparteien. Was Union und FDP planen, ist ein massiver Angriff auf diesen Grundsatz. Dass das nicht geht, ist in der Verfassung eindeutig definiert, da gibt es kein Wenn und Aber. Und auch das Tarifgesetz mit seinen nur 13 Paragrafen macht das wasserdicht.

Heißt das also, die Angst der Gewerkschaften ist unbegründet, weil sich die Union ohnehin nicht durchsetzen würde?

Die CDU müsste voraussichtlich die Verfassung ändern, um die Tarifautonomie beschneiden zu können. Dafür bräuchte sie eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat – und die wird sie wohl nicht bekommen. Allein schon, weil auch Teile der eigenen Partei und der Arbeitgeberverbände die Pläne von Angela Merkel nicht teilen.

Weshalb?

Weil sie wissen, was das für den betrieblichen Frieden bedeutet. Denn wenn man Betriebsräte allein Tarifverträge aushandeln lässt, müsste man ihnen im Betriebsverfassungsgesetz auch ein Streikrecht gewähren, um die Waffengleichheit zwischen Kapital und Arbeit wieder herzustellen. Das gäbe einen Häuserkampf: Jeder beliebige Zulieferbetrieb könnte mit einem Streik die gesamte Produktionskette unterbrechen. Das wäre eine volkswirtschaftliche Katastrophe.

INTERVIEW: KLAUS JANSEN