berliner szenen: Los, los, nicht so faul sein
Montagmorgen. Ich bin früh auf den Beinen, aber noch lange nicht wach. Am Kaffeebecher festklammernd strauchle ich Richtung U-Bahn. Ein gekeuchtes „Los, los, nicht so faul sein. Bisschen Tempo“, reißt mich aus meinen Gedanken. Ich blicke hoch und sehe eine junge Frau im Sportdress auf einem Fahrrad. Sie fährt knapp vor mir her, dreht sich immer wieder um, ruft: „Na mach schon, hopp, hopp, hopp!“
Mein müder Kopf kann sich an ihr Gesicht nicht erinnern. Blond, durchtrainiert, stark geschminkt. Eine Nachbarin? Oder die Frau aus der Apotheke vorgestern? Aber wieso sollte die mich so energisch anfeuern? „Geht’s noch langsamer? Komm jetzt, los!“ Der Tonfall der Frau wird genervter. Ich fühle mich irritiert und angegriffen, schweige aber. Das ist sicher eine Verwechslung, mein Mund ist grad jedoch nur für Kaffee und nicht zum Reden bereit. „Du dicker Faulpelz, man ey“, ruft die Radlerin. „Sachma“, denke ich. Jetzt bremst die Frau, macht Anstalten, vom Rad abzusteigen. Ich werde nervös. Was wird das jetzt hier? Berlin, deine Freaks. Erst neulich wurde ich auf dem Fahrrad von einer betrunkenen Passantin mit dem Fuß gekickt. Die zwei anderen vor mir jedoch auch, was ein Gruppenfeeling erzeugt hat. Da hatten wir an der Ampel was zu reden.
Da berührt mich etwas Weiches am Bein, ich springe zur Seite. Schwarzes Fell, kurze Beine, Knautschgesicht. Gemächlich trottet der Mops seinem dynamischen Frauchen entgegen. Dort angekommen, wird er geschnappt, im Looping nach oben gewirbelt und unter den Arm geklemmt. Schnellen Schrittes zieht die Frau ab, das Rad mit der freien Hand neben sich balancierend. Der Hund hängt in ihrer Armbeuge. Wir tauschen verständnisvolle Blicke aus. Immerhin wird er jetzt getragen. Linda Gerner
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