piwik no script img

Archiv-Artikel

Gericht soll Kündigungen bei Contigo prüfen

HANDEL Im Streit über mutmaßlich unfaire Arbeitsbedingungen der Fair-Trade-Kette lehnen entlassene Verkäuferinnen Abfindungen ab. Jetzt muss Justiz über Kündigungsschutzklagen entscheiden

BREMEN taz | Drei ehemalige Beschäftigte der Göttinger Contigo GmbH, eines der größten Fair-Trade-Unternehmen Deutschlands, haben ein Angebot für eine Abfindung zurückgewiesen. Bei einem Gütetermin vor dem Bremer Arbeitsgericht hielten sie am Freitagabend an der Klage gegen ihre Kündigung fest. Nun muss das Gericht in einer Hauptverhandlung klären, ob das Unternehmen die Verkäuferinnen entlassen durfte.

Den dreien war gekündigt worden, nachdem es in ihren Filialen Streit über ein neues Lohnmodell gegeben hatte. Im Zusammenhang mit der Klage hatte sich eine Reihe ehemaliger Contigo-Beschäftigter an die Gewerkschaft Ver.di gewandt und über die Arbeitsbedingungen geklagt. Das Unternehmen soll unter anderem Urlaubs- und Lohnfortzahlungsansprüche bei Erkrankungen durch eine informelle Ausgleichsregelung ausgehebelt und dazu Druck auf die Beschäftigten ausgeübt haben. Auch die drei Entlassenen hatten Kritik an dieser Regelung geübt.

Nachdem die taz darüber berichtet hatte, hatten andere Beschäftigte das Modell als freiwillige Übereinkunft verteidigt. Der Geschäftsführer verwies darauf, seit der Unternehmensgründung vor 15 Jahren „keinen Cent an Gewinnen für private Zwecke entnommen“ zu haben, alle Erlöse kämen Produzenten in Übersee zugute. Die von ihm als „Mitunternehmerlohn“ bezeichnete Ausgleichsregelung sei Teil einer innerbetrieblichen Partnerschaft, die durch das neue Lohnmodell fortgeführt werde.

Vor Gericht warf ein Anwalt des Unternehmens den Beschäftigten vor, mit der Veröffentlichung ihrer Vorwürfe „Politik gemacht“ und damit dem Unternehmen „massiv geschadet“ zu haben. Das Unternehmen sei dennoch bereit, durch Zahlung einer Abfindung eine gütliche Einigung herbeizuführen. Der Anwalt der Entlassenen wies die Kritik kategorisch zurück.

Juristisch geht es um die Frage, ob jede Contigo-Filiale als einzelnes Unternehmen zu betrachten ist. Ver.di vertritt die Auffassung, dass es sich sich bei den Niederlassungen, die nicht von Franchisenehmern betrieben werden, um ein zentral gesteuertes Unternehmen handelt. In kleinen Betrieben gelten erleichterte Kündigungsregelungen.

In Deutschland wird die Einhaltung der Kriterien für den fairen Handel vom Weltladen-Dachverband überprüft, Contigo wird als Lieferant empfohlen. Der Verband kündigte ein Treffen mit Unternehmensvertretern an, um den Vorwürfen nachzugehen. CHRISTIAN JAKOB