: Dutzende Festnahmen bei Protesten gegen Korruption
ASERBAIDSCHAN Opposition fordert die Auflösung des Parlaments und den Rücktritt von Präsident Alijew
BERLIN taz | Die Polizei in der Südkaukasusrepublik Aserbaidschan hat eine nicht genehmigte Protestkundgebung der Opposition gegen Korruption am Samstag in der Hauptstadt Baku gewaltsam aufgelöst. Dabei wurden nach Angaben der Opposition mindestens 110 Personen vorübergehend festgenommen und zehn von ihnen zu einer Administrativhaft zwischen sieben und zehn Tagen verurteilt.
Aufgerufen zu der ersten Demonstration seit dem Eurovision Song Contest im vergangenen Mai hatten junge Aktivisten der Jugendorganisationen der Oppositionsparteien Musawat und Volksfront. Mit Rufen wie „Schande!“ forderten sie den Rücktritt des Präsidenten Ilham Alijew und die Auflösung des Parlaments. Bereits vor dem Beginn der Kundgebung im Zentrum von Baku war es zu zu Festnahmen gekommen. Laut dem Chef der Partei Musawat, Isa Gambar, seien rund hundert Mitglieder seiner Partei festgenommen worden, als sie am Samstag von einem Treffen in der Parteizentrale in Baku kamen.
Auslöser der jüngsten Proteste war ein Video, das Ende September erstmals auf YouTube veröffentlicht wurde. Die Aufnahmen zeigen die Abgeordnete der Regierungspartei „Partei für ein neues Aserbaidschan“ (YAP), Güler Achmedowa, die im Auftrag der Regierung dem Rektor der aserbaidschanischen internationalen Universität, Elschad Abdulajew, einen Parlamentssitz für eine Million US-Dollar (umgerechnet 998.000 Euro) zum Kauf anbietet. Achmedowa war 2010 erneut ins Parlament gewählt worden. Als die Korruptionsvorwürfe öffentlich wurden, war sie Ende September zurückgetreten. Derzeit läuft ein Ermittlungsverfahren.
Dass Wahlen in Aserbaidschan gefälscht würden, sei für die Gesellschaft nichts Neues. Dennoch habe der Videoskandal für Empörung gesorgt, die die Menschen auf die Straße gebracht habe, meint der Rechtsanwalt und Menschenrechtsaktivist Aslan Ismailow. „Das Vorgehen der Polizei gegen die Demonstranten am 20. Oktober zeigt erneut, dass der Bevölkerung in Aserbaidschan das Recht auf Versammlungsfreiheit verwehrt wird“, so Ismailow.
Doch nicht nur Teilnehmer von Protesten der Opposition stehen im Reich von Ilham Alijew, der seit 2003 an der Macht ist, mit einem Bein im Gefängnis. Auch kritische Journalisten sind massiven Repressalien ausgesetzt. Eine weitere beliebte Methode sind Zwangsenteignungen, die die Betroffenen entweder wirtschaftlich in den Ruin oder ins Ausland treiben. Nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen sitzen derzeit rund 50 politische Gefangene in Haft. BARBARA OERTEL
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