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Archiv-Artikel

„Es ist besser, jetzt aufzuräumen“

Der ukrainische Schriftsteller Andrej Kurkow ist über die Regierungsentlassung nicht enttäuscht – im Gegenteil

taz: Herr Kurkow, die Regierung Timoschenko ist entlassen. Sind Sie von diesem Schritt überrascht?

Andrej Kurkow: Erst dachte ich, dass die Regierung sogar noch früher am Ende ist, aber dann sah es doch so, als ob sie bis zu den Parlamentswahlen im kommenden Jahr durchhalten würde. Doch für Timoschenko ist es besser, zurückzutreten. Denn so kann sie sich effektiver auf die Wahlen vorbereiten. Wenn sie getrennt von Juschtschenko antritt, wird sie mehr Stimmen als seine Partei bekommen.

Die jüngste Krise wurde doch massive Korruptionsvorwürfe an die Adresse einiger Regierungsmitglieder ausgelöst. Geht es wirklich nur darum?

Der Machtkampf tobte schon, bevor die Regierung gebildet wurde. Von Anfang an hat niemand die Tatsache zu verschleiern versucht, dass es zwischen Timoschenko und Poroschenko große Spannungen gab. Denn eigentlich wollte Poroschenko Regierungschef werden. In der Folgezeit blieben Reformen des Systems aus und die alten Korruptionsschemata arbeiteten weiter wie bisher. Allen Ankündigungen Juschtschenkos zum Trotz, gegen die Korruption vorgehen und die Privatisierungsfragen lösen zu wollen, passierte gar nichts.

Dann ist die Entscheidung, die Regierung zu entlassen also richtig?

Ja. Es ist besser, jetzt aufzuräumen, um der neuen Regierung mehr Zeit zu geben, noch vor den Wahlen wirklich etwas auf den Weg zu bringen anstatt Juschtschenko und die orangene Revolution vollends zu diskreditieren.

Sie haben sich im vergangenen Jahr sehr für die orangene Revolution engagiert und mit tausenden Demonstranten auf dem Kiewer Maidan wochenlang ausgeharrt. Sind Sie jetzt enttäuscht?

Ich bin nicht enttäuscht, denn ich habe keine einschneidenden Veränderungen erwartet. Das Maximum, das die orangene Revolution erreichen konnte, hat sie erreicht: Der Glaube der Menschen an die Moral der Regierenden ist wiederherstellt worden. Jetzt ist das Wichtigste, dass die Menschen diesen Glauben nicht wieder verlieren.

Besteht diese Gefahr?

Ich glaube nicht, denn die Medien sind jetzt viel freier. Und jede neue Regierung wird unter massivem Druck der Medien stehen.

Wie würde der Held Ihrer Romane, der Pinguin Mischa, die jüngsten Entwicklungen kommentieren?

Mischa würde vorschlagen, einen Teil des entlassenen Kabinetts in den Zoo zu schicken. Dort können sich die Politiker dann um die Tiere kümmern und dabei etwas nachdenken. INTERVIEW: BARBARA OERTEL