: DGB greift Hartz an
Eine Woche vor der Bundestagswahl kritisiert der Berliner DGB die rot-grüne Arbeitsmarktreform Hartz IV scharf. Auch CDU und FDP bekommen ihr Fett weg. Hartz sei „Inbegriff des Scheiterns“
von RICHARD ROTHER
Einen Tag nach dem demonstrativen Schulterschluss von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und DGB-Bundeschef Michael Sommer hat der DGB Berlin-Brandenburg die Arbeitsmarktpolitik der rot-grünen Bundesregierung scharf kritisiert. „Hartz IV ist zum Inbegriff des Scheiterns geworden“, sagte gestern DGB-Landeschef Dieter Scholz. Statt Beschäftigung wüchsen Armut und Hoffnungslosigkeit. In der Region würden immer mehr reguläre Stellen abgebaut, rund 600.000 Menschen in Berlin seien arm. Die umstrittene Arbeitsmarktreform Hartz IV war von SPD und Grünen mit Unterstützung von CDU und FDP zu Jahresbeginn eingeführt worden.
Hart ins Gericht ging Scholz denn auch mit der schwarz-gelben Opposition im Bundestag. „Die Forderung nach Lohnverzicht und der Abbau von Kündigungsschutzrechten führen ebenfalls in die Irre“, so Scholz. Zu den Steuerplänen des Unionsexperten Paul Kirchhof, der ähnlich wie die FDP eine Einheitssteuer für arm und reich fordert, sagte Dieter Scholz: „Bei Kirchhof kann man nur den Kopf schütteln.“ Jeder müsse nach seiner Leistungsfähigkeit besteuert werden.
Eine Wahlempfehlung wollte der Berliner Gewerkschaftschef Scholz – eine Woche vor der Bundestagswahl – aber nicht aussprechen. „Wir müssen zu einer gerechten Steuerpolitik kommen.“ Der Staat dürfe nicht auf Einnahmen verzichten, die er zur Erfüllung seiner Aufgaben brauche. Darauf zu achten – das sei eine Forderung an alle Parteien, so Scholz. Er freue sich aber, dass Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) in dieser Frage seine Auffassung teile.
Der Berliner Hauptpersonalrat Uwe Januszewski kritisierte vor allem die Einrichtung von 1-Euro-Jobs im öffentlichen Dienst. In den Berliner Bezirken seien mittlerweile rund 8.000 dieser Arbeitsgelegenheiten geschaffen worden. In manchen Bereichen würden sie Arbeiten erledigen, die zuvor regulär Beschäftigte gemacht hätten: etwa als Küchenhilfe und Wäscherinnen in Kitas, als Archivare in den ehemaligen Sozialämtern, als Hausmeistergehilfen in Schulen oder als Bibliothekare in Schulbüchereien.
Solche Arbeiten von 1-Euro-Jobbern würden zwar als zusätzliche Tätigkeiten deklariert, in Wirklichkeit seien sie es jedoch nicht, kritisierte Januszewski. So habe Baustadtrat Franz Schulz (Grüne) im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg Stellen bei der Garten- und Grünpflege abgebaut. „Im September forderte dann der Bezirk in diesem Bereich 60 neue 1-Euro-Jobber an.“