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Archiv-Artikel

Franzstandort Deutschland

Am Sonntag wird Franz Beckenbauer 60 Jahre alt. Ein Wahrheit-Geburtstagsglückwunsch mit Doppelpass

Womit kann ich Franz Beckenbauer zum 60. Geburtstag eine Freude machen? Sein ausdrücklich von ihm selbst geäußerter, „größter Wunsch“ ist es, dass „Frieden auf der Welt“ herrsche. Also wünsche ich Franz Beckenbauer zu seinem Ehrentag, dass dieser Wunsch zügig in Erfüllung geht.

Kaum habe ich diesen Satz hingeschrieben, kommen mir Zweifel. Ist es nicht ein in Anbetracht der alles überstrahlenden Bedeutung dieser Leuchte viel zu preiswertes Geschenk? Ich müsste es ja noch nicht mal kaufen. Überall, wo irgendeine verzichtbare prominente Existenz den Mund aufmachen darf, liegt anschließend massenhaft gewünschter „Weltfrieden“ umsonst rum, meistens direkt neben den verwandten Gratisartikeln „Gesundheit“ und „Mitleid“. Fragen Sie mal die Schicksals-Schnorrer Johannes B. Kerner und Reinhold Beckmann, die machen seit Epochen mit dem hingequatschten Zeug ihre Schnäppchen-Sendungen voll.

Nein, für Franz B., für den allgegenwärtigsten Deutschen neben G. Jauch und P. Benedikt, sollte es zum Sechzigsten schon ein bisserl mehr sein. Ich lege also noch eine Schüppe drauf. Zur Feier des Tages gibt es die vollendete Formel: „Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen!“

Ich verschweige nicht, dass ein gewisser Teil der Menschheit mit der Erfüllung dieses Wunsches egoistische Ziele verfolgt. Zur Ausstattung meines kleinen Wohlfühlfriedens gehörte es nämlich durchaus, auch mal einen Tag des irdischen Daseins ohne die Anwesenheit Franz Beckenbauers verbringen zu dürfen. Das immer schon unvermeidlich erscheinende Eindringen dieser multiplen Medien-Persönlichkeit in private Schutzräume hat mit der rasant näher rückenden Fußball-Weltmeisterschaft noch mal an Penetranz zugelegt. Fast scheint es so, als sei Beckenbauers anderer, der abwaschbaren Illustrierten Bunte gebeichteter Wunsch, „wiedergeboren“ zu werden, schon zu seinen Lebzeiten mehrfach in Erfüllung gegangen. Wie anders soll man die schier unheimliche Präsenz dieses Mannes erklären? Höchstens damit, dass der um den Franzstandort Deutschland besorgte Ministerpräsident Edmund Stoiber das reproduktive Klonen Beckenbauers in geheimen bayerischen Labors längst durchführen lässt.

Es ist aber nicht nur müßig, sondern vor allem ungehörig, sich ausgerechnet im Rahmen des 60. Geburtstages Franz Beckenbauers an solchen Verschwörungstheorien zu beteiligen. Heute soll der Jubilar selbst hier unangezweifelt da stehen, wo er sowieso immer und überall rumsteht: Im Mittelpunkt. Franz Beckenbauer war einmal ein guter Fußballer, das will und werde ich nicht vergessen. Ich wünsche ihm heute mal das, was er sich wünscht. Wenn’s denn unbedingt sein soll, sogar seine Wiedergeburt. Mal schauen, was dabei herauskommt. „Es gibt“, und auch das hat er schließlich selbst gesagt, „nur eine Möglichkeit: Sieg, Unentschieden oder Niederlage.“ FRITZ ECKENGA

60 der Franz jetzt. Ja der Wahnsinn. Am 11. September. Elfterseptember? New York? – Genau: Cosmos New York. Der Franz. Der Kaiser. Die Lichtgestalt. Trifft Rudolf Nurejew. In New York. Tanzschwulette legt ihm Hand aufs Bein. Dem Franz. Echt mal jetzt. Trotzdem „gute Freunde geblieben“. Fast wie im Lied: „Gute Freunde kann niemand trennen / Gute Freunde sind nie allein / weil sie eines im Leben können / füreinander da zu sein.“ Hat der Franz selbst geschrieben. 1992, in: „Ich, wie es wirklich war“.

Auch HSV-positiv, Bayern München, Robert Schwan. Die Maggi-Suppe-gibt-Kraft-Reklame. Der Tod ist ein Deutscher Meister. Pokal, Weltmeister. Die Schale, der Pott, alles. Kurze Hosen, lange Haare. Kein Cruyff, der Franz. Aber der Franz. Der Franz!

Autobiografien: „Einer wie ich“, 1975. 17 Jahre später die zweite: „Ich, wie es wirklich war“. Mit 45 Prozent mehr Franz. Wieder 13 Jahre später ein neues Franz-Buch, mit noch mehr Franz: „Franz Beckenbauer. Der freie Mann“. Von Torsten Körner. Scherz Verlag 2005. Aber ernst gemeint.

Auch privat ganz doller Hecht. Fünf Kinder von sieben Frauen. WM 2006 nach Deutschland gekauft. Kann mobil telefonieren, der Franz. Der Franz! Ja der Wahnsinn. Ich, wie es wirklich war. Der Franz.

Kann nicht aufhören, der Franz. Deshalb Nachgeburt. Nachgeburt? Hermine Huntgeburth? – Wiedergeburt! Vom Franz. Jawohl. Ja-wo-hohl! Dann kommt er wieder, der Franz. Jaa-ha! Als Pflanze. Als Baum. Sagt er selbst, der Franz. Sagt er gern. Sagt er oft. Mein Freund, der Baum. Wie Alexandra sang: Mein Freund, der Franz. Und dann mit dem Auto davor, mit Karacho voll in den Freund. Nicht der Franz. Die Alexandra. Damals. In den Sechzigern. Was für Zeiten. Ja der Wahnsinn.

Bild. Bild ist Franz, Franz ist Bild, ohne Bild kein Franz. In Bild der Ganzfranz. Der Ich-kann’s-Franz. Der gütige Franz. Der Ich-habe-durchaus-auch-Humor-Franz. Aber auch der Machtwort-Franz. Der Jetzt-ist-Vater-böse-Franz. Der Wer-abgreifen-will-muss-auch-durchgreifen-Franz. Der Den-scheiß-ich-zusammen-Franz. Der Intriganzfranz. Der Ich-geh-jetzt-petzen-Franz. Der Aufmandelfranz. Wie in der Mannschaftskabine. Wie immer. Der Franz.

Im TV der Ölprinz-Grins-Franz, der „Schau-mer-mal“-Franz, der „Schaase“ sagt statt Chance. Der Gelee-in-Aspik-Franz, der Rasierapparate-Reklame-Franz, Der Ich-kann-Golf-und-Schi-und-Wandern-und-bin-schöner-als-die-andern-Franz. Der einsame Entscheider, der Teamchef. Der Wo-ich-bin-ist-vorne-Franz. Der DFB-heißt-Dich-Fickt-Beckenbauer-Franz. Der Ölige, der Grundkorrupte. Der Liebling nicht der Götter, nur der Deutschen.

Beckenbauer 60. Welche Verschwendung. Ja der Franz, ja der Wahnsinn. Ich, wie es wirklich war. Ja der Franz. Auch der Waldi, sicher, der Johannes, der Reinhold, der Wolf-Dieter, der Steffen, der Gerhard-mit-Günter. Vor allem und allen aber: der Franz. Wie spricht man im Neandertal? „Servus“ und auch „Schau mer mal“. WIGLAF DROSTE