: Juristen uneins über Dresden-Nachwahl
Bundeswahlleiter will auch ohne die Dresdener Stimmen ein Ergebnis bekannt geben – ein umstrittener Kurs
FREIBURG taz ■ Die Deutschen sollen nicht wochenlang schmoren. Bundeswahlleiter Johann Hahlen will am Abend des 18. September ein vorläufiges amtliches Endergebnis der Bundestagswahl bekannt geben – auch wenn im Wahlkreis Dresden I voraussichtlich erst am 2. Oktober gewählt wird. Die Nachwahl in Dresden wurde nach dem Tod der dortigen NPD-Direktkandidatin erforderlich.
Der renommierte Berliner Staatsrechtler Christian Pestalozza hat allerdings Bedenken gegen dieses Verfahren. „Dadurch sind Freiheit und Gleichheit der Wahl beeinträchtigt“, sagte er gestern. Die Dresdner könnten strategisch wählen, weil sie bereits das Wahlergebnis im Bund kennen. Vermutlich wird das Verfahren noch die Gerichte beschäftigen. Pestalozza empfahl, schon vor Bekanntgabe der Ergebnisse im Bund eine einstweilige Anordnung zu beantragen, um dies zu verhindern. Der CDU-Direktkandidat von Dresden, Andreas Lämmel, forderte sogar, bundesweit mit der Auszählung erst zu beginnen, wenn auch Dresden gewählt habe.
Eigentlich ist ein derartiger Aufschub im Wahlrecht nicht vorgesehen. Im Gegenteil, die Beteiligten werden eher zur Eile angehalten. „Im Anschluss an die Wahlhandlung ermittelt der Wahlvorstand ohne Unterbrechung das Wahlergebnis im Stimmbezirk.“ Die Wahlvorsteher sollen die Ergebnisse „auf schnellstem Wege“ weiterleiten. Die Wahlleiter geben „nach Durchführung der möglichen Überprüfungen“ die vorläufigen Ergebnisse bekannt, heißt es in der Bundeswahlordnung.
Um die Bekanntgabe der Wahlergebnisse zu stoppen, müsste sich also ein Verwaltungsgericht oder Karlsruhe aus verfassungsrechtlichen Gründen über das geltende Recht hinwegsetzen und die Auszählung oder die Bekanntgabe der Ergebnisse verbieten. Befürworter dieses Weges berufen sich auf das hessische Wahlgericht. Dieses hatte 1995 festgestellt, dass das Gesamtergebnis im Fall einer Nachwahl in einem Wahlkreis nicht bekannt gegeben werden darf. Das Urteil bezog sich allerdings auf hessisches Recht.
Immerhin änderte Hessen anschließend das Landeswahlgesetz. Für Landtagswahlen muss jetzt für jeden Direktkandidaten auch ein Ersatzbewerber bestimmt werden. CSU-Innenpolitiker Günther Beckstein fordert das nun auch für Bundestagswahlen. CHRISTIAN RATH