: EU diskutiert über „Flüchtlingslager“
In Afrika könnten bald so genannte Aufnahmeeinrichtungen für Menschen entstehen, die nach Europa fliehen wollen
NEWCASTLE taz ■ Die Befriedigung war Bundesinnenminister Otto Schily deutlich anzumerken. Zwar klagte er über den Temperatursturz zwischen Berlin und dem nordenglischen Newcastle. Dort fegten am zweiten Tag des Treffens der EU-Innen- und Justizminister eisige Regenstürme über die zum Tagungsort umgewidmete Rennbahn. Inhaltlich aber sieht sich Schily mit seinen Kollegen und der EU-Kommission so einig wie selten.
Zur Erinnerung verteilte er die Mitteilung der EU-Kommission vom 1. September „über regionale Schutzprogramme“. „Diese Sätze könnten von mir stammen“, sagte Schily sichtlich befriedigt. Im vergangenen Jahr hatte sein Vorschlag, Auffanglager in den Staaten Afrikas einzurichten, durch die Flüchtlinge Richtung Mittelmeer unterwegs sind, in den Bürgerrechts-Organisationen und auch bei vielen EU-Staaten für Protest gesorgt.
Nun jedoch berieten die 25 Innenminister in Newcastle über eine bessere Abstimmung ihrer Zuwanderungspolitik mit afrikanischen Ländern. Sie diskutierten dabei auch Möglichkeiten, die Entwicklungshilfe gezielter zur Steuerung der Wanderungsbewegungen einzusetzen.
Laut Schily habe sich in der EU die Erkenntnis durchgesetzt, dass das Problem nicht an den Außengrenzen Europas gelöst werden könne. Die Flüchtlinge müssten darüber aufgeklärt werden, wie lebensgefährlich der Weg über das Wasser sei. Eine Lösung nah an den Herkunftsländern und finanzielle Hilfen für die Herkunftsländer, um wirtschaftliche Fluchtgründe von vornherein zu beseitigen, sei um ein Hundertfaches billiger als Grenzschutz und Abschiebelager innerhalb der EU.
Schily legt allerdings Wert auf die Wortwahl. Es handele sich nicht um „Auffanglager“, sondern um „Aufnahmeeinrichtungen“ in den Transitländern und unter deren Regie. Die EU könne dort allenfalls „Anlaufstellen“ einrichten, wo sie auf freiwilliger Basis denjenigen Hilfe anbieten wolle, die nicht aus wirtschaftlichen Gründen, sondern aus Angst vor Krieg und Verfolgung auf der Flucht seien. Für das Jahresende kündigte Schily eine Konferenz mit den Mittelmeer-Anrainerstaaten an, auf der technische Fragen geklärt werden sollen. Die Staaten müssten sich sämtlich bereit erklären, die Genfer Flüchtlingskonvention zu beachten und entsprechende Kontrollen zulassen.
DANIELA WEINGÄRTNER