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wortwechselNach dem Hirntod.Vor der Organentnahme

Organspenden. Hier scheiden sich die Geister: Als medizinisches Urteil machte der „Hirntod“ in der Zeit der ersten Herztransplantationen Karriere. Um Menschen auf Halde zu legen?

„Den Körper hingeben“, taz vom 16. 1. 18

Neutrale Organisation

Eine dermaßen sensible Sache wie die gerechte Verteilung eines lebenswichtigen Mangelgutes soll und muss möglichst neutral vom Staat organisiert werden – der sich dieser hoch moralischen Diskussion stellt. Und nicht von einer Stiftung, die in der Vergangenheit durch Intransparenz und Missbrauchsanfälligkeit aufgefallen ist. Wenn halt der eine den Chefarzt kennt … Ich selbst fände die Widerspruchslösung richtig: Alle sind Spender, außer man widerspricht. Oder möge erklären, selbst kein Spenderorgan in Anspruch nehmen zu wollen. So viel Solidarität sollte schon sein.

Selbst habe ich vor ein paar Jahren meinen Ausweis zerschnitten und an die entsprechenden Stellen geschickt, freilich ohne jede Reaktion seitens der Stiftung DSO und des Bundesgesundheitsministeriums. Jürgen Stahlke, Dörverden

Egoismus?

In selten zu lesender Klarheit hat Barbara Dribbusch benannt, warum die Widerspruchslösung, die den Tod auf der Organwarteliste erheblich mindern würde, in Deutschland bisher keine Chance hatte: Diese Regelung würde den Menschen, der zum Nehmen (im Fall des Falles) bereit ist, aber nicht zum Geben (nach seinem Tod) „seinem eigenen Widerspruch ausliefern“. So ist es.

Die in diesem Verhalten liegende egoistische Lebenslüge wird von der Politik und der geltenden Entscheidungslösung toleriert und zugedeckt.

Dass es in fast allen anderen Ländern in Europa zur Widerspruchslösung gekommen ist, bedeutet, dass dort die Menschen zu sich selbst oder die Politiker zu den Menschen ehrlicher sind.

Rigmar Osterkamp, Bichl

Nicht tot, nicht lebend

Ich möchte dem Gedanken Frau Dribbuschs, ein Nichtspender werde bei einer Erkrankung davon ausgehen, selbst ein Organ zu erhalten, widersprechen.

Ich bin 2003, als mein damals 27-jähriger Bruder einen Suizidversuch durchführte, damit konfrontiert worden, was es ganz konkret bedeutet, einer Organentnahme zuzustimmen. Er war von den Eltern freigegeben worden. Vorher war eine Not-OP gescheitert, sein Leben war nicht zu retten. Es lag ein Mensch da, intubiert, Intensivstation, der Brustkorb hob und senkte sich, er atmete, jedenfalls sah es so aus, die Augen waren nicht geschlossen, sondern halb offen und glänzten.

Wie ich später erfuhr, war die Hornhaut der Augen mit einem speziellen Mittel präpariert worden, damit sie nicht austrocknete und explantiert werden konnte. Mein Bruder sah lebendig aus, als würde er jeden Moment aufwachen. Es war gespenstisch. Er war nicht tot und er war nicht lebend. Es war so furchtbar, weil er da lag für die Explantation, ich dachte: „zum Ausweiden“. „Hirntot“ nennen es Ärzte. Aber dies ist als Begriff erst eingeführt worden, als es begann, möglich zu werden, Herzen zu transplantieren und man „frische“ Organe brauchte. Ich möchte nicht, dass in meinen Sterbeprozess, denn es ist ein Prozess, eingegriffen wird. Und ich habe für mich entschieden, dass ich bei einer lebensbedrohlichen Erkrankung auch kein Spenderorgan möchte. Da ich keine Spenderin sein möchte, werde ich auch keins in Anspruch nehmen.

Sollte eines meiner volljährigen Kinder plötzlich sterben, werde ich mein Möglichstes tun, um ein solches Umgehen wie das „Auf-Halde-Legen“ eines sterbenden Menschen zu verhindern.

Name ist der Redaktion bekannt

Wem dienen wir damit?

Den Körper hingeben? Bei Organspenden geben wir unser Leben hin, wird uns unser Leben genommen! Ist ein Mensch zur Spende bestimmt, muss er apparativ am Leben erhalten werden, da Organentnahme nur in lebendem Zustand möglich ist. Bei der Entnahme ist ein Anästhesist anwesend, der Narkotika verabreicht, wie bei einer sonstigen Operation. Andernfalls reagiert der Körper des „Toten“ mit Muskelverspannungen und mimischen Grimassen. Er zeigt damit, dass er empfindet, dass er unter dem Skalpell leidet. Nach der Entnahme werden die lebenserhaltenden Apparate abgeschaltet und dieser Mensch wird – umgebracht.

Ist es wirklich das, was wir wollen? Dienen wir damit nicht vor allem einer medizinischen Industrie und ihrem Profit?

Markus Glatzle, Öppingen

Diagnose Hirntod

Wenn Barbara Dribbusch sich in ihrem Artikel für eine obligatorische Organentnahme von Sterbenden ausspricht (nur wer sich vorab in einem Register eintragen lässt, wird verschont), sollte sie auch darüber schreiben, wie dies dann konkret vonstatten geht.

Organentnahme zum Zweck der Transplantation geht nur aus einem lebenden Organismus. Das aber heißt, dass es sich bei dem Spender keineswegs um einen Leichnam, vielmehr um einen als „hirntot“ diagnostizierten, zweifellos sterbenden, aber eben wirklich noch lebenden, beatmeten Patienten handelt, der dann zur Vorbereitung der Organentnahme sogar noch mit kreislaufstärkenden Medikamenten stabilisiert wird.

Dabei ist es auch unter Neurologen äußerst umstritten, ob der sogenannte Hirntod tatsächlich jegliches Schmerzempfinden beim Herausschneiden der Organe ausschließt. Ich bin keineswegs grundsätzlich gegen eine Organspende, allerdings sollte dies freiwillig und in Kenntnis des gesamten Verlaufs geschehen.

Rolf Alterauge, Neuwied

Ausgedient

„Gesetz gegen Handy-Schrott“,

taz vom 18. 1. 18

Für das Fairphone 1 gibt es nicht einmal Ersatzakkus: Ich kann es also wegwerfen, wenn der Akku am Ende ist; der Support wurde auch komplett eingestellt. Für das Fairphone 2 sind seit über 16 Monaten keine Displays lieferbar. „Reparaturfähig“ erweist sich hier als Lüge: Fairphones sind Elektronikschrott wie alle anderen auch.

Kay Dohnke, Hamburg

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