Biobrot ging weg wie warme Semmeln

Eigentlich war das größte Biofrühstück der Welt abgesagt – wegen „starken Regens“. 6.000 Menschen kamen trotzdem in Berlin zum Anti-Gen-Food-Schmaus. Der Erfolg liegt im Trend: Nach vier Jahren Biosiegel ist Öko-Essen „Lifestyle“ geworden

VON STEPHAN KOSCH
UND SUSANNE GÖTZE

Um vier Uhr morgens begann es zu regnen. Nicht nur ein Schauer ergoss sich über Berlin, sondern stundenlanger Niederschlag. Meteorologen aus Potsdam kündigten erst für den frühen Nachmittag eine Wetterbesserung an. Pech für die Initiatoren des „Größten Bio-Frühstück der Welt“ auf dem Berliner Schlossplatz. Kurze Krisensitzung, dann die Entscheidung: Alles absagen. Doch die Berliner ließen sich vom Wetter nicht abschrecken: Trotz der offiziellen Absage standen um 11 Uhr 2.000 hungrige Menschen mit ihrem Geschirr auf dem Schlossplatz. Der Regen hörte auf – und am Ende zählten die Veranstalter sogar 6.000 Teilnehmer.

„Vom Bild-Leser bis zum taz-Abonnenten“, beschreibt Michael Wimmer von der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg (FÖL) das Publikum, das sich über alle Milieugrenzen in der Ablehnung von Gen-Food einig gewesen sei. Dass das Frühstück in Berlin so gut besucht war, hatte möglicherweise einen einfachen Grund: Die Speisung der 6.000 war kostenlos, dafür hatten 39 Sponsoren gesorgt.

In insgesamt 146 Städten fand der Bio-Protest an der Tischdecke statt. Im Gegensatz zu Berlin mussten die Teilnehmer in den anderen Orten ihre Tafeln allerdings selbst bestücken. Doch auch dort waren die Veranstalter mit der Resonanz zufrieden, sagt Alexander Gerber vom Bund ökologische Lebensmittelwirtschaft. Die genaue Teilnehmerzahl stand bis Redaktionsschluss noch nicht fest, weil die Protestmahle zum Teil erst nachmittags begannen. Knapp 300 Teilnehmer wurden aber bis zum Mittag in Frankfurt gezählt, knapp 600 in München.

Für das Essen in Hamburg hatte sich auch Bundesverbraucherministerin Renate Künast angemeldet. „Bio gehört schon zum Lifestyle vieler Menschen“, zeigte sie sich bereits am Freitag optimistisch. Da feierte sie wahlkampfwirksam den vierten Geburtstag des Bio-Siegels, das auf einer EU-Richtlinie basiert. Das Zeichen mit dem grünen Häkchen zwischen den drei großen Buchstaben habe ökologische Produkte endlich aus der Nischenecke herausgeholt, sagt zumindest die Ministerin. Mittlerweile tragen fast 30.000 Produkte in ganz normalen Supermärkten das Markenzeichen.

Auch konventionell produzierende Unternehmen haben mittlerweile offenbar erkannt, dass sich ein paar Biowaren im Sortiment gut verkaufen lassen. So kommt es, dass das Siegel mehrheitlich von ihnen und nicht den Ökoherstellern genutzt wird. Die Kriterien sind im Vergleich zum klassischen Ökolandbau allerdings auch schwächer. Zwar verlangt das Bio-Siegel, dass gentechnisch veränderte Organismen, chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel sowie mineralischer Dünger nicht verwendet werden. Tiere sind artgerecht zu halten. Traditionelle Ökohöfe und Firmen sind da viel strenger.

Dennoch befürworten auch sie größtenteils die staatliche Kennzeichnung. „Wem das Biosiegel nicht reicht, der muss sich in zweiter Instanz nach den Markennamen richten“, erklärte Thomas Dosch von der Firma Bioland. Kennzeichnend für Unternehmen wie Bioland oder Demeter sei es eben, dass sie über den „Minimalkonsens Bio-Siegel“ hinausgehen.

Auch Demeter-Sprecherin René Herrnkind findet das Bio-Siegel wichtig: „Es ist zwar eine zusätzliche Konkurrenz für uns, aber entscheidend ist, dass die Unsicherheit bei den Verbrauchern minimiert wird.“