Not in my Grünau – oder doch?

FLÜCHTLINGE Nach Protesten gegen ein Asylbewerberheim in Grünau lud der örtliche Bürgerverein zur Infoveranstaltung. Dort pöbelten zwar manche gegen Flüchtlinge – andere aber boten ihre Hilfe an

„Den Asylanten wird alles in den Rachen geschoben“

Ein Zuhörer

Mehr als 100 Flüchtlinge wohnen derzeit in einem ehemaligen Polizeigebäude in Grünau. Oder besser gesagt: Sie schlafen dort. Denn viel mehr als Betten und viel zu wenige sanitäre Einrichtungen gibt das ehemalige Bürogebäude nicht her. Vor zwei Wochen hat das Landesamt für Gesundheit und Soziales diese Notunterkunft für Asylbewerber eingerichtet.

Gegen das Heim allerdings gab es Proteste in dem idyllischen Ortsteil Treptow-Köpenicks, in dem Einfamilien- und Gründerzeithäuser stehen. Der örtliche Bürgerverein, die evangelische Kirchengemeinde und die bezirkliche SPD hatten darum am Freitag zu einer Informationsversammlung in die Kirche geladen. „Wir waren alle überrascht, dass das Heim kam, und wollten deshalb die Bürger informieren, damit sich Fremdenfeindlichkeit gar nicht erst breit macht“, sagte Minka Dott, ehemalige Linken-Abgeordnete und Vorsitzende des örtlichen Bürgervereins. „Grünau hilft“ nannten sie die Veranstaltung, zu der am Samstagabend mehr als 200 Grünauer in die Kirche strömten.

Sie kamen aus unterschiedlichen Motiven: Die eine Hälfte des Saals monierte, „dass Roma nach Grünau kommen, am Bahnhof abhängen und vielleicht bald klauen und in Häuser einbrechen“. „Den Asylanten wird alles in den Rachen geschoben. Die bekommen Fressen, Miete und zusätzlich Hartz IV, also mehr als wir Deutschen“, raunte ein schlecht informierter junger Mann seinen Nachbarn zu. Auch „dass die Politik in Deutschland nichts dagegen macht, dass immer mehr Asylbewerber kommen“, war zu hören.

Dank der gelungenen Moderation von Pfarrer Ulrich Kastner und SPD-Politiker Matthias Schmidt konnte diese dumpfe Fremdenfeindlichkeit allerdings nicht Oberhand gewinnen: Nach der Hälfte der Veranstaltung verließ eine Gruppe von etwa zehn jungen Männern den Saal. „Die wollen uns hier umerziehen“, murrte einer zum Abschied. „Da kann ich auch den Fernseher anmachen. Dort wollen sie uns auch immer umerziehen.“

Andere Bürger hingegen boten dem privat betriebenen Notaufnahmeheim in ihrem Bezirk Hilfe an, beispielsweise durch Spielzeugspenden und Kinderkleidung. Und sie mahnten die Behörden, die Kinder schnell zur Schule zu schicken.

Eine Sprecherin des Landesamts für Gesundheit und Soziales erläuterte die Situation: Die Zahl der neu nach Berlin kommenden Asylbewerber ist rapide gestiegen. In diesem Jahr kamen bereits 40 Prozent mehr Menschen neu nach Berlin als im vergangenen. Die Situation auf dem Wohnungsmarkt ermögliche es jedoch nicht, dass die Flüchtlinge schnell Wohnungen finden. „Da haben wir zuerst in die bestehenden Heime mehr Betten hineingestellt“, so die Sprecherin. „Irgendwann ging das nicht mehr. Jetzt richten wir Notaufnahmeheime ein, damit die Flüchtlinge nicht auf der Straße leben müssen.“

Acht Notunterkünfte gibt es deshalb inzwischen in Berlin, inklusive einem Bettenlager in Büroräumen des Landesamts für Gesundheit und Soziales selbst. Die Vertreter des Bezirkes Treptow-Köpenick monierten, dass das Land die Einrichtung von Notunterkünften nicht von sich aus mit Öffentlichkeitsarbeit für die Nachbarn verbinde. Das sei nötig, um Vorurteile abzubauen.

Marina Mai