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Archiv-Artikel

„Nieder mit dem Diktator!“

IRAN Am 30. Jahrestag der Besetzung der US-Botschaft geht auch die Opposition auf die Straße. Polizei und Milizen setzen Tränengas und Schlagstöcke gegen Demonstranten ein

Der Jahrestag bot auch Anlass für eine Neubewertung der damaligen Aktion

VON BAHMAN NIRUMAND

Mehrere tausend Demonstranten haben am Mittwoch den 30. Jahrestag der Besetzung der US-Botschaft in Teheran zum Anlass genommen, um gegen die Regierung von Präsident Mahmud Ahmadinedschad zu demonstrieren. Es kam zu schweren Straßenschlachten. Polizei und Milizen, die schon seit den frühen Morgenstunden die Straßen in der Umgebung des Botschaftsgebäudes zu kontrollieren versuchten, reagierten mit dem Einsatz von Tränengas und Schlagstöcken. Laut Augenzeugen sollen auch Schüsse in die Luft abgegeben worden sein. Auf Webseiten der Opposition wird von zahlreichen Verletzten und Festnahmen gesprochen.

Regierung und Ordnungskräften hatten schon an Vortagen gewarnt, den Jahrestag nicht für Proteste zu missbrauchen. Mobilfunknetze und das Internet wurden am Mittwoch blockiert. Ausländische Journalisten durften nur über offizielle Veranstaltungen berichten.

Die Demonstranten trugen zum Zeichen ihrer Zugehörigkeit zu der „Grünen Bewegung der Hoffnung“ grüne Tücher oder Armbänder. „Nieder mit dem Diktator“, skandierten sie. Nach unbestätigten Berichten soll der unterlegene Kandidat bei der umstrittenen Präsidentenwahl im Juni, Mehdi Karrubi, im Zuge der Auseinandersetzung geschlagen worden sein, bevor ihn seine Leibwächter in Sicherheit brachten. Auch in anderen Städten kam es zu Demonstrationen.

An der staatlich inszenierten Kundgebung vor der früheren US-Botschaft nahmen nach offiziellen Angaben mehrere Zehntausend Demonstranten teil. Der 4. November sei eine willkommene Gelegenheit, „die heilige Wut des iranischen Volkes gegen Ausbeuter und Unterdrücker“ zu demonstrieren, heißt es in der Abschlussresolution. Die internationalen Feinde und Verschwörer seien bemüht, alle Mittel einzusetzen, um die Islamische Republik durch einen „sanften Krieg“ in die Knie zu zwingen. „Wir erklären hiermit, dass wir, solange die USA nicht aufhören, sich in die inneren Angelegenheiten Irans einzumischen und Verschwörungen gegen unser Land anzuzetteln, keine Verhandlungen oder Beziehungen anerkennen und die USA nach wie vor als größten Feind Irans betrachten werden.“

Indes bot der Jahrestag der Besetzung der US-Botschaft auch Anlass, eine Neubewertung der damaligen Aktion vorzunehmen. Während die Radikalen nach wie vor die Geiselnahme als legitim bewerten und die Feindschaft zu den USA als eine Strategie betrachten, die untrennbar zu den Grundsätzen des islamischen Staates gehört, melden die Reformer immer lauter ihren Zweifel an. Am deutlichsten äußerte sich Ajatollah Hossein Ali Montaseri am Vorabend des Jahrestags. Montaseri schrieb auf seiner Webseite, er habe damals der Aktion zugestimmt, sei jedoch inzwischen der Meinung, dass sie sowohl aufgrund der Folgen als auch als Verstoß gegen internationale Normen „ein Fehler“ gewesen sei. „Eine Botschaft gilt international als Territorium des betreffenden Landes“, schreibt Montaseri. Die Botschaftsbesetzung käme einer „Kriegserklärung“ gleich. Der damalige Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu den USA, der von Chomeini angeordnet wurde, könne nicht für die Ewigkeit gelten. Er sehe nicht ein, dass man Russland so viel Vertrauen schenke und ihm großzügig so viele Privilegien einräume, während man immer noch zögere, mit den USA zu verhandeln.