Leyla Yenirce
Inselstatus
: Der Club der Wiederverwerter hat ne strenge Tür

Foto: privat

Liebe Insel,

Liebe Insel, wie schafft man Begeisterung für einen nachhaltigen Lebensstil? Ganz einfach: Indem man mit Nachhaltigkeit Geld verdienen kann. Oder ein wenig milder ausgedrückt, indem man gebrauchte Gegenstände weiterverkauft. Traditionell geschieht dies in Wilhelmsburg auf dem Flohzinn.

Auf der Insel findet der monatliche Flohmarkt aber nicht nur in den Wilhelmsburger Zinnwerken statt, sondern auch virtuell. Die Anwohner*innen haben schon länger das Online-Geschäft für sich entdeckt und wer Teil des Internet-Flohmarkts ist, stellt fest, dass die Beteiligung ziemlich groß ist.

Denn neben Institutionen wie dem Gemüseladen Kaya, der Bus 13 oder Lidl, ist die viertwichtigste die Facebookgruppe „Insel Kleinanzeigen“, mit mittlerweile mehr als 11.000 Mitgliedern. Administrator*innen der Gruppe sind die Organisator*innen des Flohzinns, die die clevere Idee hatten, den Flohmarkt in das World Wide Web zu tragen. Praktisch, denn dann müssen die Bewohner*innen nicht jedes Mal bis zum Monatsanfang warten, ehe sie ihren Sperrmüll für ein paar Euronen verscherbeln können.

Auch wenn ich kein großer Facebook-Fan bin, habe ich selber schon oft Gegenstände in der Insel-Kleinanzeigengruppe erworben. Neben altem Kinderspielzeug und Jack-Wolfskin-Hosen verschenken die Insulaner*innen HVV-Fahrkarten oder fragen nach Nebenjobs. Auch für solcherlei Dienste ist Platz.

Problematisch wird es dann, wenn jemand aus einem anderen Stadtteil, zum Beispiel Eimsbüttel, es wagt, etwas zu verkaufen. Dann folgt prompt eine Rüge und der Hinweis, dass doch bitte nur alte Ikea-Möbel von der Insel zum Verkauf angeboten werden sollen.

Ja liebe Insulaner*innen, da seid ihr streng, aber das ist auch verständlich. Denn schließlich besitzen nicht alle Menschen hier ein Auto oder genügend Geld, um große Gegenstände durch die ganze Stadt zu transportieren. Ein Bett in Einzelteilen lässt sich nur zu Fuß tragen, wenn die Entfernung überschaubar bleibt.

Da lohnt es sich endlich mal, in Wilhelmsburg zu wohnen und Teil eines exklusiven Clubs zu sein. Ganz zu schweigen davon, dass mein nachhaltiges Herz jedes Mal Sprünge macht, wenn ich sehe, wie toll das funktioniert mit der Wiederverwertung. Da soll noch jemand sagen, auf der Insel herrsche kein Umweltbewusstsein, nur weil es hier manchmal ein wenig dreckig ist und die leeren Ayranbecher und Aluminiumfolie-Reste der Dürüms den Kaugummis auf den Straßen Konkurrenz machen.

Leyla Yenirce ist Kulturwissenschaftlerin und schreibt wöchentlich aus Wilhelmsburg über Spießer*innen, Linke, Gentrifizierer-*innen und den urbanen Wahnsinn in der Hamburger Peripherie